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Der Weltnaturgipfel „COP15“ fand vom 7. bis 19. Dezember 2022 im kanadischen Montreal statt.

© dpa / Paul Chiasson

Auf dem richtigen Weg: Abkommen gegen Artensterben

Deutsche Forschende begrüßen Ziele und öffentlichen Weckruf des Weltnaturgipfels von Montreal. Allerdings habe das Abkommen keine scharfen Zähne.

Das Naturschutzabkommen von Montreal, zu dem sich die Staatengemeinschaft nach fast zweiwöchigen Verhandlungen am Montag durchgerungen hat, wird teilweise als bahnbrechend bezeichnet. Umweltschützer vermissen allerdings unter anderem klare Vorgaben für die Wirtschaft und mahnen die strenge und rasche Umsetzung des Abkommens an.

Auch würde trotz inhaltlicher Fortschritte die Einigung nicht ausreichen, um den Verlust der Artenvielfalt und Ökosysteme zu stoppen oder umzukehren, erklärte der Naturschutzbund.

Aus der Wissenschaft kommt indes auch Zustimmung. So bezeichnete Henrique Pereira vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig das Abkommen als „außerordentlichen Erfolg“ der globalen politischen und wissenschaftlichen Gemeinschaft.

„Es ist ein hervorragender Rahmen und ein großer Schritt nach vorn im Vergleich zu früheren Vereinbarungen“, sagte der Forscher, der vor Ort an der COP15 teilgenommen hat. Vor der Wissenschaft liege nun eine Menge Arbeit. Die Entscheidungsträger müssten bei der Übertragung der Ziele auf die nationale Ebene dabei unterstützt werden, günstige Bedingungen für die Umsetzung zu schaffen und das Biodiversitäts-Monitoring zu verbessern.

Sehr wichtig sei auch die Zusage, dass die Industrieländer bis 2030 jährlich 30 Milliarden Dollar für die Entwicklungsländer bereitstellen, als Teil einer Gesamtmobilisierung von 200 Milliarden Dollar pro Jahr.“

Dass bis 2050 die Rate, mit der Arten aussterben, auf ein Zehntel verringert werden soll, liege zwar immer noch um eine Größenordnung über der „natürlichen“ Aussterberate. „Aber es ist der richtige Weg, um die Kurve des Verlusts der Biodiversität zu biegen“, sagte Henrique Pereira gegenüber dem Science Media Center Deutschland (SMC).

Katrin Böhning-Gaese, Direktorin Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN), sieht neben „überraschend großen Erfolgen“ den Teufel allerdings auch im Detail stecken. Problematisch sei beispielsweise, dass nicht festgelegt wurde, wie konkret ein effektiver Schutz der Gebiete aussehen soll und was konkrete Ziele der Renaturierung sind.

„Viele Formulierungen sind schwammig, viele der Indikatoren qualitativ und damit nicht messbar. Ein Nicht-Erreichen der Ziele ist nicht mit Sanktionen belegt“, sagte die Professorin am Institut für Ökologie, Evolution und Diversität, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main, die virtuell an der COP15 teilgenommen hat. „Das Abkommen hat keine scharfen Zähne.“

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Blicke man auf die letzten Zielvereinbarungen – die Aichi-Ziele –, zeige sich, dass es beim Thema Biodiversität nicht an ehrgeizigen Zielen mangelt, sondern an der Umsetzung. „Es gibt die Verpflichtung, nationale Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne aufzusetzen, aber es gibt keine Sanktionen, wenn die Ziele nicht erreicht werden“, bemängelt Katrin Böhning-Gaese. Somit komme der Öffentlichkeit, wie zum Beispiel Nichtregierungsorganisationen (NGOs), eine große Bedeutung zu, die Einhaltung der Ziele einzufordern. Eine große Rolle könnten in Zukunft auch Gerichte spielen.

200
Nationen haben sich mit dem Abkommen zu Schutz und nachhaltiger Nutzung der Biodiversität verpflichtet.

Immerhin habe sich Deutschland als eine von fast 200 Nationen mit diesem Abkommen zu Schutz und nachhaltiger Nutzung der Biodiversität verpflichtet: „Daran muss sich Deutschland in Zukunft messen lassen.“

Es sei von nicht zu unterschätzender Bedeutung, dass das Thema Biodiversität auch dank des Gipfels zunehmend die Öffentlichkeit und Politik erreicht. „Noch nie wurde das Thema meiner Wahrnehmung nach in Deutschland so hoch gesetzt und so viel darüber berichtet“, so Katrin Böhning-Gaese gegenüber dem SMC.

Das international in Montreal vereinbarte Ziel, 30 Prozent der Land- und Meeresflächen bis 2030 zu schützen, hält Katrin Böhning-Gaese für „ehrgeizig, aber durchaus machbar“. Sie verwies auf 2010 gesteckte Ziele, 17 Prozent der Flächen an Land und zehn Prozent der Meere unter Schutz zu stellen. Diese seien „fast erreicht“, deshalb halte sie das am Montag von der Staatengemeinschaft vereinbarte 30x30-Ziel für „durchaus umsetzbar“.

Das 30x30-Ziel findet sich in der Abschlusserklärung des am Montag zu Ende gegangenen UN-Biodiversitätsgipfels im kanadischen Montreal. Böhning-Gaese unterstrich, 30 Prozent auf dem Papier seien schnell erreicht. Aber diese Gebiete auch wirksam zu schützen, sei „wirklich schwierig“. „Das wird der Knackpunkt sein“, so die Forscherin. (mit epd) 

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