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Die Rüssel sind ein Allzweckwerkzeug, mit dem Elefanten unter den zeitweise harten Bedingungen in ihren Lebensräumen überleben.

© AFP / Luis Tato

Baggerschaufel und Pinzette: Die feingesteuerten Gesichter der Elefanten

Elefanten nutzen ihre Ohren und vor allem ihren Rüssel auf vielfältige Weise. Eine anatomische Studie zeigt wie sie das bewerkstelligen.

Im Gehirn eines Afrikanischen Steppenelefanten versorgen rund 63.000 Nervenzellen die Muskulatur im Gesicht des Tieres, berichtet ein Team um Thomas Hildebrandt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin und Michael Brecht von der Berliner Humboldt-Universität (HU) in der Zeitschrift „Science Advances“.

Das sind nicht nur deutlich mehr als die etwa 54000 Nervenzellen, die beim Asiatischen Elefanten die gleichen Aufgaben übernehmen, es ist auch ein Rekord für Säugetiere an Land. Im Durchschnitt kommen sie mit einem Fünftel dieser Zahl aus. Nur zwei Delfin-Arten haben mit mehr als 80.000 eine noch höhere Zahl von Gesichtsnerven.

Wenn ein Afrikanischer Elefant die Ohren abspreizt und mit ihnen zu wedeln beginnt, ist die Botschaft eindeutig.

Christof Schenck, Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt

Aufgefallen war dem Berliner Forschungsteam diese hohe Zahl, als es die Gehirne von vier Steppenelefanten (Loxodonta africana) und vier Asiatischen Elefanten (Elephas maximus) untersuchte. Was fangen die Dickhäuter mit diesen vielen Gesichtsnerven an?

Während fast 12.000 Nervenzellen die Bewegungen der sehr großen Ohren des Afrikanischen Elefanten koordinieren, haben Asiatische Elefanten dafür etwa 7500. Auch scheinen die Steppenelefanten ihren Rüssel und vor allem dessen Spitze mit mehr Nerven zu versorgen.

Die Berliner Gruppe vermutet, dass Elefanten einen erheblichen Teil ihrer Gesichtsnerven auf den Rüssel und die Ohren konzentrieren. Das ist ihrer Meinung nach auch durchaus sinnvoll. So hat der Rüssel eines Afrikanischen Elefanten zwei kräftige Ausstülpungen, die nicht nur zwei Fingern ähneln, sondern ähnlich wie die Finger einer menschlichen Hand zum Greifen auch zerbrechlicher Gegenstände genutzt werden.

Im Spiel lernen die Tiere mit dem zunächst ziemlich unhandlichen Rüssel umzugehen.

© sdbower - stock.adobe.com / Steve Bower

Ähnlich wie eine menschliche Hand, die mit vielen Nervenzellen ein Hühnerei ertastet und es so zwischen den Fingern halten kann, ohne es zu zerdrücken, brauchen auch die Finger am Elefantenrüssel für das anspruchsvolle schonende Tasten und Greifen viele Nerven. Und da Asiatische Elefanten nur einen solchen Finger haben, benötigen sie für seine Kontrolle erheblich weniger Nervenzellen.

Die riesigen Ohren der Afrikanischen Elefanten sind nicht nur Kühlelemente, die überschüssige und potentiell gefährliche Körperwärme abführen, sondern auch ein wichtiges Kommunikationsmittel. Deshalb können Elefanten ihre Ohren mit vielen Muskeln bewegen, um so Artgenossen oder anderen Arten eindeutige Nachrichten zukommen zu lassen. Auch dabei kommen viele Nervenzellen zum Einsatz.

„Wenn ein Afrikanischer Elefant die Ohren abspreizt und mit ihnen zu wedeln beginnt, ist die Botschaft eindeutig“, erklärt der Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) Christof Schenck. Der Zoologe konnte auf seinen Dienstreisen in Afrika sehr häufig Elefanten beobachten, war an der Studie des HU- und IZW-Teams aber nicht beteiligt.

Körpersprache signalisiert Artgenossen, Menschen und anderen Tieren den erregten Zustand eines Tieres.

© Getty Images/iStockphoto / Jacques le Roux

Mit den abgespreizten Ohren wirkt der Kopf der Tiere größer und die Bewegungen der Ohren machen einem Menschen rasch klar: Der Elefant ist gereizt, seine Stimmung kann leicht in Aggression umschlagen. „Seine Ohren senden also eine klare Aufforderung zum Rückzug“, übersetzt Christof Schenck diese Signale. „Trompetet der Elefant dann auch noch, ist es höchste Zeit für einen deutlich größeren Abstand.“ Da eine solche Aufforderung auch andere Tiere Afrikas verstehen und Elefanten auch untereinander diese Ohren-Sprache benutzen, lohnt der große Aufwand an Nervenzellen. 

Noch wichtiger als die Ohren scheint der Rüssel für die Dickhäuter zu sein. „Der Rüssel ähnelt einer Kombination aus einer Baggerschaufel für grobe Arbeiten und einer Pinzette fürs Feine in einem einzigen Werkzeug“, sagt Schenck. Dieses Kombinationswerkzeug vereinigt also riesige Kraft mit Feinfühligkeit. „Ich habe Elefanten schon Bein-dicke Äste einer Schirm-Akazie mit dem Rüssel wegdrücken sehen“, berichtet Schenck. „Mit dem gleichen Werkzeug aber lesen die Dickhäuter auch ein einzelnes Blatt vorsichtig vom Boden auf.“

Zudem kann diese Multifunktionsorgan auch große Mengen Wasser aufsaugen, das sich Elefanten anschließend entweder zum Trinken ins Maul oder zum Kühlen auf die Haut zu spritzen. Notfalls taugt der Rüssel auch als Schnorchel, durch den ein untergetauchter Elefant Luft holen kann. „Und er ist eine Art olfaktorisches Periskop“, sagt Schenck. Elefanten halten ihren Rüssel oft hoch in die Luft, um Gerüche aufzunehmen.

Einmal konnte der ZGF-Geschäftsführer sogar beobachten, wie eine Gruppe Elefanten ein Jungtier aus einer misslichen Lage befreiten: Der kleine Elefant konnte aus eigener Kraft einen Graben nicht mehr verlassen. Er wurde dann im Teamwork mit Hilfe vorsichtig tastender, aber eben auch kräftiger Rüssel und der Stoßzähne unverletzt hochgehoben und befreit.

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