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© Lisa Rock für den Tagesspiegel

„Der Erbonkel“: Das Pinguin-Trauma und die richtige Dosis Realität

Die Welt kann schrecklich sein. Aber wie bring ich’s dem Kind bei, ohne es zu traumatisieren?

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Einen schönen Film wollten wir anschauen, einen, wo der Dreijährige nicht nur Spaß hat, sondern vielleicht auch noch etwas lernt. Die Wahl fiel auf die „Reise der Pinguine“, im Grunde eine Doku, eingepackt in eine erzählende Handlung, freigegeben auch für Kinder unter sechs Jahren. Harmlos also. Was sollte da schiefgehen.

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Als die Pinguine in Richtung eines Eislochs wackelten, die Musik allmählich dramatischer und die Konturen einer Robbe im antarktischen Wasser deutlicher wurden, erkannte ich meinen Fehler. Mein TV-naives Kind starrte gebannt auf die Leinwand, hatte vor Aufregung bereits diverse Finger in seinem Mund versenkt, als plötzlich – musikalischer Höhepunkt – einer der Pinguine auf Nimmerwiedersehen in der Tiefe verschwand.

„Mir ist langweilig“, stammelte der Lütte mit zitternder Stimme. „Ich will jetzt lieber nach Hause.“

Wir sind dann doch geblieben, der Film ging gut aus. Aber die Frage, was aus dem Pinguin wurde, blieb. Die vorsichtigen Erklärungen des unvorsichtigen Vaters, Gefasel von kleinen süßen Robben, die auch satt werden müssen, trösteten nur bedingt. Die kleine Seele blieb erschüttert.

Wer entscheidet eigentlich, was Kindern zugemutet werden kann, fragte ich danach wütend, den Ärger über mich selbst auf die FSK übertragend. Welche Kriterien geben den Ausschlag? Messwerte sind es jedenfalls nicht. Niemand testet Kohorten von Erwachsenen, geschweige denn Drei-, Vier- oder Fünfjährigen, ob ihnen ein Pinguin-Horror-Film (zu viel) Angst einjagt, bevor das „FSK 0“-Label vergeben wird.

Möglich wär’s: Je angespannter und ängstlicher ein Mensch ist, umso höher ist der Anteil eines bestimmten Moleküls in seiner Atemluft: Isopren zeigt an, wie Zuschauer auf Filme reagieren. Das haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Uni Mainz 2018 herausbekommen. Für die Einschätzung der FSK-Kategorien wird das noch immer nicht berücksichtigt.

Egal. Für meinen Dreijährigen wäre es ohnehin zu spät gewesen. Die Frage, wann dem eigenen Kind wieviel der mitunter erschreckenden und schrecklichen Realität zugemutet werden kann, müssen Eltern Tag für Tag neu lösen. Es vor jedem Schreck bewahren können sie nicht. Es muss die Welt erfahren, wie sie ist. Aber sie können den Nachwuchs begleiten, ihn nicht alleine glotzen oder surfen lassen, erklären, trösten, Mut machen. Sein Pinguin-Trauma hat der einst Dreijährige inzwischen überwunden. Robben mag er auch wieder.

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

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