zum Hauptinhalt
Küssen kann man nicht alleine.

© imago images / Panthermedia/"bds"

Im Tierreich selten: Vom Küssen auf Lippen und Nasen

Bald ist „Tag des Kusses“, einer romantischen, Liebe und Leidenschaft transportierenden Geste. Doch ist das gegenseitige Kosen der Lippen oder gar Versenken von Zungen tatsächlich so urmenschlich?

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Die Zeremonie dauerte genau 60 Sekunden. Und am Schluss sagte die Standesbeamtin in der „Wedding Chapel“ der New Yorker City Hall: „You may now kiss the bride“. Dann folgte ein Hochzeitskuss, der ein wenig von der Norm abwich.

Was wir fürs Leben mitbekommen und was wir weitergeben, das Thema dieser Kolumne, das sind beileibe nicht nur Gene. Im günstigsten Fall ist es auch Liebe – oft artikuliert in Form von Küssen. Je nach Art und Grad der Zuneigung wird die Geste zur Begrüßung mitunter nur angedeutet, versichert in Form eines spürbaren Schmatzers Kindern die Liebe ihrer Eltern, oder lässt als Zungenkuss Verliebte ihre Leidenschaft füreinander spüren.

Nur warum Homo sapiens ausgerechnet diese, im Tierreich eher seltene Geste kultiviert hat, ist unbekannt, trotz zahlreicher Theorien. Die einen spekulieren, das urzeitliche Füttern von Babys mit zerkautem Brei über den Mund sei der Vorläufer des Verhaltens gewesen. Gehen Turtelnde deshalb bis heute Essen, obwohl es ja in erster Linie um das Stillen einer ganz anderen Form von „Appetit“ geht?

Die einfachste Erklärung ist, dass das gegenseitige Berühren der empfindlichen Lippen ein starkes Gefühl von Intimität vermittelt und im Hirn nicht nur ein sinnliches Erlebnis auslöst, sondern auch das Limbische System aktiviert, das den Körper mit einem Cocktail körpereigener, gefühlsstimulierender Drogen wie Endorphinen, Oxytocin und Testosteron überschwemmt.

Einen Kuss braucht es dafür aber nicht unbedingt. In 91 von 168 untersuchten Kulturen gibt es ihn auch gar nicht als Liebesbeweis. Manchen gilt der Zungenkuss, bei dem übrigens auch einiges an Erbgut ausgetauscht wird, gar als „eklig“. Dafür steht andernorts, etwa bei den Maori in Neuseeland, die Nase im Zentrum der Intimität.

Der New Yorker Hochzeitskuss des „Erbonkels“, der zuerst die Nase und dann die Lippen der Frischvermählten traf, kann also als bestmöglich kulturell diverser Liebesbeweis interpretiert werden. Und wird zur Nachahmung empfohlen.

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false