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© Lisa Rock für den Tagesspiegel

„Der Erbonkel“: Vom Kleckern und Klotzen

Marmelade auf dem Schoß, Ketchup auf der Bluse, den Hemdsärmel in der Sahne – in dieser Familie ein alltägliches Schicksal. Kann man seine Tolpatschigkeit auf die Gene schieben?

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Es ist das wichtigste Ereignis am Ende der Schulzeit, die „Prom“, hierzulande der „Abi-Ball“. Man zwängt sich in feinen Zwirn, zumeist teure, jedenfalls besonders schicke Kleider und Anzüge, feiert und trinkt. Und isst. In diesem Fall war es Spaghetti Bolognese. Man kann das, obwohl schon ein paar Jahre her, immer noch recht gut erkennen. Die Sauce, die der Tochter keine zehn Minuten nach Beginn der großen Feier prominent übers Kleid tropfte, hat ewige Spuren auf dem Chiffon hinterlassen.

Ärgern tut sich über solche Missgeschicke niemand mehr in der Familie. Die Tochter kleckert in guter Tradition. Ihre Mutter wischt beinahe alle paar Tage Flecken vom Dekolletee, die Großmutter statuiert bei jeder zweiten Familienfeier Saucen-Exempel. Das laute Seufzen und die selbstresignierende Mimik der Betroffenen sorgt dann eher für allgemeine Fröhlichkeit, nicht nur unter den vom Klecker-Schicksal verschont Gebliebenen.

Großmutter, Mutter, Tochter? „Ist Kleckern genetisch?“ Noch während die Flecken mit allerlei Hausmitteln behandelt werden, fällt immer wieder diese Frage, halb scherz-, halb ernsthaft.

Wer weiß? Einerseits geht natürlich nichts ohne Gene. Sie regulieren unsere Aufmerksamkeit, unsere Konzentrationsfähigkeit, auch unsere Geschicklichkeit und haben somit auch Einfluss auf menschliche Tolpatschigkeit. Aber wenn die Frage so gemeint ist, ob „defekte“ Gene identifiziert worden wären, die zu pathologischem Kleckern führen können: Nein. Das geben die Datenbanken nicht her. Hinweise, dass gezielt nach solchen Mutationen gesucht worden wäre, gibt es allerdings auch nicht. Die Chancen eines Finanzierungsantrags für solch eine Studie wären wohl auch nicht groß.

Wahrscheinlicher ist ohnehin, dass das Kleckern über das Lernen bestimmter Verhaltensweisen in der Familie weitergegeben wurde: So wie die Großmutter führen auch Mutter und Tochter zu Tisch gern das Wort. Alle Konzentration gilt dem sozialen Austausch. Würden sich alle nur dem Essen widmen, gäbe es vermutlich weniger Flecken. Doch wieviel ärmer wären dann die Familiengespräche?

Es gibt mehr als Gene, wichtigeres als DNA, das wir von Generation zu Generation weitergeben: Gedanken, Lebensweisen, Haltungen – das klotzt. Ein bisschen kleckern fällt da nicht ins Gewicht.

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

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