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Klein aber oho: Das kürzeste Chromosom, das geschlechtsbestimmende Y, hat sich am längsten gegen seine Entzifferung gewehrt.

© Shutterstock/Iaremenko Sergii

„Der Erbonkel“: Endlich ist das Y-Chromosom entschlüsselt – schon muss es gerettet werden

Nach langen Mühen haben Genforscher auch das Y-Chromosom entziffert. Aber es ist gefährdet, verschwindet gar. Das macht Männer schneller alt und krank.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Liebe Brüder im Y, liebe Träger des kürzesten der 24 menschlichen Chromosomen: Das Y-Chromosom ist endlich komplett sequenziert, jener Zwerg von Chromosom, der bei der Hälfte der Menschheit (mal mehr, mal weniger) Großes zuwege bringt zwischen den Beinen. Diese Woche erschienen zwei Studien im Fachblatt „Nature“, in denen die vollständige DNA-Sequenz, auch die bisher unbekannten 30 Millionen Bausteine des 62 Millionen Basenpaare langen Geschlechtschromosoms, verkündet wurde - lange nach der Entzifferung des übrigen Genoms.

Es hat etwas Ironisches, dass ausgerechnet jenes Chromosom, auf dem das Gen SRY für den Anstoß zur männlichen Entwicklung sitzt, es der Forschung so besonders schwer gemacht und geradezu bockig eine „Extrawurst“ beansprucht hat. Voll von sinnlosen, schwer entzifferbaren Wiederholungen und arm an sinnvollen Genen überstrapazierte das männlichste aller Chromosomen sogar die Geduld der besten Supercomputer. XX-Trägerinnen könnten darin eine tiefe Wahrheit sehen.

Jedem sein Y

Die wohl spannendste Erkenntnis ist, dass sich die Y-Chromosomen verschiedener Populationen (21 wurden untersucht) sehr viel mehr unterscheiden als erwartet. So kommen einzelne der wenigen Gene mitunter doppelt oder gar dutzendfach vor. Ein Mann hat 23 Kopien des Gens TSPY, wichtig für die Spermienbildung, ein anderer 39 auf seinem Y. Und manchmal erstrecken sich die Wiederholungen der immer gleichen Bausteinabfolgen über 17 Millionen Basenpaare, mal sind sie 37 Millionen lang. Ob länger aber besser ist, ist auch in diesem Fall eher zu bezweifeln.

Immerhin sprechen die jüngsten Analysen dafür, dass das Y-Chromosom, trotz seit Jahrmillionen schwindender Größe, nicht dem Untergang geweiht ist. Jedenfalls nicht vonseiten der Evolution, die offenbar munter mit dem besten Chromosomenstück des Mannes herumspielt.

Gefahr droht dem Y vom Manne selbst, jedenfalls dem rauchenden. Denn die Qualmerei beschleunigt ein Phänomen, das Forscher seit einiger Zeit mit schnellerem Altern, erhöhtem Krebsrisiko und früheren Demenzerscheinungen in Zusammenhang bringen: Im Laufe des Lebens eines Mannes verlieren immer mehr seiner Zellen das Y-Chromosom.

Auf die Funktion der „Organa genitalia masculina externa“ hat der späte Y-Verlust zwar keine potenziellen Auswirkungen. Allerdings haben Männer mit mehr als zehn Prozent Zellen ohne Y ein signifikant höheres Sterberisiko als Männer gleichen Alters, wohl weil Immunzellen ohne Y nicht gut funktionieren.

Genossen des Y-Kollektivs: Rettet das Y, hört auf zu rauchen!

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

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