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Wie Träume entstehen und warum, können Forscher noch immer nicht erklären.

© dpa/Kai Remmers

„Der Erbonkel“: Wenn Menschen nicht mehr träumen

Kein Traum ohne Schlaf. Aber dennoch gibt es Menschen, die schlafen, aber nicht träumen können. Sind sie der Schlüssel zum Verständnis dieses noch immer rätselhaften Phänomens?

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Es dämmerte schon, als das Flugzeug landete. Und bis die Familie den Mietwagen mit ihrem Gepäck vollgestopft hatte, waren die grünen Hügel Irlands in diesig regnerischer Dunkelheit verschwunden, durch die nun eine gute Stunde Fahrt bis zum Ferienhäuschen bevorstand. Zum allerersten Mal auf der linken Straßenseite. Mit dem Lenkrad rechts, der Kupplung links, durch Finsternis. Natürlich meisterte der Erbonkel diese lächerliche kleine Herausforderung cool und lässig. Trotz gelegentlicher irischer Geisterfahrer. Merkwürdig nur, dass Szenen dieser Autofahrt selbst Jahre später immer mal wieder in Albträumen auftauchen.

Welche Funktion Träume haben, darauf hat die Forschung noch keine eindeutige Antwort. Die einen halten es für eine Art „Unfall“, als simple Folge eines auch im Schlaf weiter arbeitenden Gehirns. Andere sprechen Träumen eine biologische Aufgabe zu, etwa das im Wachzustand Erlebte zu rekapitulieren, auszusortieren oder zu erinnern. Wie dem auch sei: Träumen ist angeboren. Allerdings sind bislang keine „Traum-Gene“ identifiziert worden. Jedenfalls nicht beim Menschen.

Allerdings haben Forscher am japanischen RIKEN Center und der Universität Tokio ein Genpaar identifiziert, das jene Schlafphase reguliert, in der am intensivsten geträumt wird, den REM-Schlaf (Rapid Eye Movement). Schaltete Hiroki Uedas Team bei Mäusen die Gene Chrm1 und Chrm3 aus, hatten die Tiere praktisch keinen REM-Schlaf mehr. Ohne die beiden Gene konnten bestimmte Gehirnregionen dieser Nager nicht mehr auf den Botenstoff Acetylcholin reagieren, der den REM-Schlaf steuert.

Aber träumten diese Mäuse auch nicht mehr? Schwierig zu beantworten. Aber es gibt Menschen, bei denen jene Hirnregion fehlt, die für REM-Schlaf nötig ist. Beim Patienten Y.H. hatte der israelische Schlafforscher Perez Lavie einen Granatsplitter in der „Brücke“ (Pons) des Hirnstamms entdeckt. Y.H. hatte keinerlei REM-Schlaf mehr, aber heftige Albträume. Sind hingegen Nervenbahnen im Inneren des Mittelhirns zerstört, wie bei Patienten, die der südafrikanische Neurologe Mark Solms ausfindig gemacht hat, dann geht wohl auch die Fähigkeit zum Träumen verloren – oder die Erinnerung daran. Solms zufolge entstehen Träume in Hirnregionen, die für Instinkte, Emotionen und Wünsche zuständig sind. Weil Hirnteile, die eher für Vernunft und Logik verantwortlich sind, währenddessen ruhen, entstehen die bizarren, oft irrealen Traumszenen.

Tatsächlich: Träume ich vom Irlandurlaub, von den Fahrten an wunderschöne Strände und schroffe Steilküsten, dann sitze ich entspannt und erholt am Steuer – und zwar links.

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

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