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Bis zu 60 Metern hoch reicht die Fontäne des Andernacher Kaltwassergeysirs. Noch sensationeller sind nur die Mikroben im Geysirwasser.

© imago images/JOKER/Hady Khandani via www.imago-images.de

Entdeckung in der Tiefe: Der Schatz aus dem Geysir

Grundlagenforschung mit unverhoffter Anwendung: Als ein deutscher Chemiker die Bakterien-Flora unter dem Andernacher Geysir untersucht, findet er Mikroben mit so besonderen Eigenschaften, dass er sich ihre Nutzung patentieren lässt.

Was lebt in der Tiefe der Erde? Diese Frage treibt Alexander Probst schon seit Langem um. Über Jahre zwackte der Chemiker der Universität Duisburg-Essen daher Wasser vom Andernacher Geysir in der Vulkaneifel ab und untersuchte die Mikroben darin. Besonders Spannendes erwartete er nicht zu finden. Doch dann entdeckte Probst eine Bakterienart mit so ungewöhnlichen, womöglich goldwerten Eigenschaften, dass er ihre Nutzung zum Patent anmeldete.

5000
Liter Wasser aus 350 Metern Tiefe spritzt der Andernacher Kaltwassergeysir alle 90 Minuten aus der Erde.

Der Andernacher Geysir ist ein Kaltwassergeysir. Nicht Wasserdampf, sondern Gase aus vulkanischer Tätigkeit, typischerweise eine Menge Kohlendioxid, treiben die Fontäne unter hohem Druck in die Höhe: alle 90 Minuten 5000 Liter Wasser aus 350 Metern Tiefe.

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Klimaschutz mit Mikroben?

Auch Proben anderer Kaltwassergeysire sammelte Probst ein, in Japan ebenso wie im tschechischen Kurort Karlsbad. Er vermutete in der Tiefe Bakterienarten, die das Kohlendioxid, das dort unter enormen Druck steht, in Methan umwandeln. Nichts Ungewöhnliches, denn so kennt man es schließlich aus Sümpfen und Seen. Doch die Analysen zeigten, dass 70 Prozent der Geysirflora aus speziellen, bis dahin unbekannten Archaeen besteht, einem ganz eigenen Reich an Bakterien. Sie futtern große Mengen Kohlendioxid, um daraus ihre Zellsubstanz aufzubauen.

Der Nanoklettverschluss, mit dem sich diese Mikroben festhalten, ist einmalig.

Alexander Probst, Universität Duisburg-Essen

Auch an der Erdoberfläche dient das Treibhausgas Algen, Pflanzen und Cyanobakterien als Nahrung. Dort brauchen diese Lebewesen jedoch Licht, um mithilfe der Fotosynthese das energiearme Kohlendioxid nutzen zu können. Statt des Lichts greifen die Geysir-Archaeen auf Wasserstoff als Energielieferant zurück, der ebenfalls in der Druckkammer des Geysirs vorkommt, vermutet Probst. Doch die „Altiarchaeen“ („alti“ für „Tiefe“) brauchen für die Umwandlung von Kohlendioxid siebenmal weniger Energie verglichen mit fotosynthetischen Organismen. „Sie sind extrem effizient“, sagt Probst. „Das ist natürlich hochinteressant für uns.“ Weltweit arbeiten Forschende intensiv daran, die Fotosynthese künstlich nachzustellen, um eine Strategie gegen den Klimawandel zu entwickeln. Denn könnte Kohlendioxid massenweise aus der Luft geholt und zu wertvollen organischen Substanzen veredelt werden, wäre eine neue Klimaschutzmaßnahme geboren. Ob sich die Altiarchaeen mit ihrem Wasserstoff-Trick dafür nutzen lassen, ist noch offen. Denn vorerst verfolgt Probst die zweite außergewöhnliche Eigenschaft der Untergrund-Mikroben.

Nano-Klettverschluss

Die kohlendioxidfressenden Archaebakterien bilden an ihrer Zelloberfläche hundert bis zweihundert nanometergroße Widerhaken, mit denen sie sich aneinander und an Oberflächen festhalten. Sie bildeten im Untergrund auf diese Weise ein riesiges Netzwerk, schildert Probst. Trotzdem werden mit jeder Wasserfontäne einige Millionen Exemplare losgerissen und an die Luft geschleudert. Für die Mikroben ist das der sichere Tod: Denn der Sauerstoff lässt sie sterben.

Blubbert ebenfalls in der Vulkaaneifel: der Kaltwassergeysir „Wallender Born“.
Blubbert ebenfalls in der Vulkaaneifel: der Kaltwassergeysir „Wallender Born“.

© imago images/Eibner/Augst / Eibner-Pressefoto via www.imago-images.de

„Der Nanoklettverschluss, mit dem sich diese Mikroben festhalten, ist einmalig“, sagt Probst. Im Labor kann er ihn sogar von den Archaeen abernten, indem er diese mithilfe eines Ultraschallgerätes schüttelt. Er ist überzeugt, dass mit dem Nanoklettverschluss viele neue Anwendungen möglich wären. Heftpflaster könnten ohne synthetische Klebstoffe auskommen und allergische Reaktionen vermieden werden. Deshalb hat sich Probst die Nanowiderhaken patentieren lassen.

Jede Anstrengung wert

Aber um die Eigenschaften der Altiarchaeen erforschen zu können, müsste man sie im Labor vermehren können. Kein leichtes Unterfangen, denn es erweist sich als schwierig, die extremen Umweltbedingungen unter Tage im Labor nachzustellen. „Wir können sie noch nicht kultivieren“, sagt Probst. So geht es Mikrobiologen mit den meisten Bakterien: „Der Mensch kann 99 Prozent der weltweit vorkommenden Mikroorganismen nicht züchten und muss sie deshalb in der Natur studieren.“

Ab kommendem Jahr soll sich das ändern. Das Bundesforschungsministerium stellte Probsts Team im Projekt „Multikulti“ eine Million Euro zur Verfügung, um einen Spezialreaktor für die Archaeen zu bauen. Das Gefäß aus Edelstahl sei gerade fertig geworden, so Probst. Es verträgt 20 bar Druck und verfügt im Inneren über sechs unterschiedliche Kammern, in denen die Forschenden die Bakterien mit verschiedenen Mengen Wasserstoff füttern können. Mit diesem Reaktor will Probsts Arbeitsgruppe nächstes Jahr einen Schuss Geysirwasser einfangen und dann möglichst die Klettverschluss-Mikrobe in einer der Kammern wachsen lassen. „Ob das gelingt, wissen wir natürlich nicht“, sagt der Chemiker. „Aber diese unglaubliche Bakterie ist jede Anstrengung wert.“

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