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In der ausgehenden Bronzezeit wurde reger Seehandel mit Metallen betrieben - Wracks (hier ein Nachbau) zeugen davon.

© picture alliance / WaterFrame/Borut Furlan/WaterFrame

Hartes Handelsgut: Zinn bereitete den Weg aus der Steinzeit

Kupfer ist der Armen Gold und Zinn der Dürftigen Silber, heißt es. Zusammengebracht waren Kupfer und Zinn vor Jahrtausenden jedoch ein wichtiges Material für den Menschen.

Metalle nutzen und verarbeiten zu können, ist eine der wichtigsten Errungenschaften der Menschheit. Den Durchbruch schaffte man vor rund 5000 Jahren mit Bronze, aus der man harte Werkzeuge und Waffen und viele andere Gebrauchsgegenstände fertigen konnte. Diese Legierung besteht zu neunzig Prozent aus Kupfer, das schon mit den Methoden der Steinzeit gut aus verschiedenen Lagerstätten gewonnen werden konnte.

Weit schwieriger war der zweite Bestandteil der Bronze: Zinn. Das Metall kam damals nur aus wenigen und oft recht weit entfernt liegenden Lagerstätten. Ohne Fernhandel hätte die Bronzezeit, in der sich mit der minoischen Kultur auf Kreta die erste Hochkultur Europas entwickelte, also kaum beginnen können. Aber seit mindestens 150 Jahren wird in der Archäologie diskutiert, aus welchen Minen die Zinnerze stammten.

Eine Tonne Zinn

Eine mögliche Lösung des Rätsels wird im Wrack eines rund 15 Meter langen und fünf Meter breiten Frachtsegelschiffes vermutet, das vor etwas mehr als 3300 Jahren am Ende der Bronzezeit im Südwesten der heutigen Türkei vor der Landzunge Uluburun sank. Geladen hatte der Bronzezeit-Frachter unter anderem Ebenholz und Elfenbein, sowie Schmuck aus Gold und Silber, Zähne von Flusspferden und Straußeneier, Pistazienharz und blaue Gläser, die ein türkisch-US-amerikanisches Unterwasser-Archäologie-Team bergen konnte.

Zinn wurde in der Bronzezeit in Europa bis hinein nach Zentralasien nur an wenigen Stellen gewonnen.
Zinn wurde in der Bronzezeit in Europa bis hinein nach Zentralasien nur an wenigen Stellen gewonnen.

© CEZA/Daniel Berger/Tagesspiegel

Der größte und schwerste Teil der Fracht waren 121 Zinnbarren unterschiedlicher Form, die zusammen rund eine Tonne wogen, sowie 354 Kupferbarren mit einem Gesamtgewicht von rund zehn Tonnen. Dieses Kupfer war zu knapp 30 Kilogramm wiegenden Barren gegossen, deren Form an eine ausgebreitete Ochsenhaut erinnert. Die Form könnte speziell für den Fernhandel entwickelt worden sein. An den vier Enden, die den Beinen entsprechen, konnten die Barren gut getragen werden, während die flache Form es ermöglichte, die Barren aufeinander zu stapeln. Dieses Kupfer stammt nach Isotopen-Analysen und chemischen Untersuchungen wahrscheinlich aus Zypern.

Abweichende Ergebnisse

Diskutiert wird dagegen noch die Herkunft des transportierten Zinns. Ein Team um Wayne Powell vom Brooklyn College in New York präsentierte kürzlich in der Fachzeitschrift „Science Advances“ Isotopen-Analysen der Elemente Zinn und Blei von 105 der 121 Zinnbarren. Demnach soll ein Drittel der Proben aus der Lagerstätte Muschiston im heutigen Tadschikistan in Zentralasien kommen, während der Rest im Taurus-Gebirge in der heutigen Grenzregion zwischen der Türkei und Syrien aus der Erde geholt worden sei.

Die Bronzezeit in Mitteleuropa umfasst etwa den Zeitraum von 2200 bis 800 v. Chr.
Die Bronzezeit in Mitteleuropa umfasst etwa den Zeitraum von 2200 bis 800 v. Chr.

© dpa/Z1001 Nestor Bachmann

Dieser Aussage widerspricht eine Gruppe um Ernst Pernicka von der Universität Tübingen und vom Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie CEZA in Mannheim und CEZA-Forscher Daniel Berger in der Zeitschrift „Frontiers in Earth Science“: „Wayne Powell und seine Gruppe haben einige vorhandene Ergebnisse nicht berücksichtigt, die eine Herkunft aus Muschiston praktisch ausschließen“, sagt Berger. Nach den Analysen der CEZA-Gruppe passen die Ergebnisse des US-Teams viel besser zu den in der Bronzezeit gut genutzten Zinn-Minen im Südwesten des heutigen Englands in den Grafschaften Cornwall und Devon. Auf eine solche Herkunft hatte bereits die Analyse anderer Barren aus der Bronzezeit hingewiesen. „Allerdings könnte dieses Zinn durchaus auch von der iberischen Halbinsel oder aus dem Erzgebirge stammen“, erklärt Berger weiter.

Handel per Schlitten

Diese Forschungsdiskussion ist also noch nicht abgeschlossen. In einem sind sich die Fachleute auf diesem Gebiet aber einig: In der Bronzezeit gab es bereits bedeutenden Fernhandel und damit Anfänge einer Entwicklung, die heute unter dem Begriff „Globalisierung“ diskutiert wird. Vielleicht begann sie sogar noch früher.

Seit 1989 gräbt ein Team unter Leitung von Wladimir Pitulko von der Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg auf der Schochow-Insel rund 600 Kilometer nördlich der Küste Sibiriens eine Siedlung aus, in der vor rund 8000 Jahren 20 oder 30 Menschen lebten. Isoliert vom Rest der Welt aber waren die Bewohner nicht: Verwendeten sie doch zum Beispiel einige wertvolle Klingen aus Obsidian. Der jeweilige Anteil von Rubidium und Strontium, sowie von Mangan und Yttrium in diesem Material zeigte eindeutig, dass die vulkanischen Obsidian-Steine aus dem Gebiet um den Krasnoje-See stammen, der in Luftlinie rund 1500 Kilometer südöstlich der Schochow-Insel liegt.

Da der russische Forscher und seine Gruppe in der Siedlung auch die jeweils weltweit ältesten Überreste von Schlitten und Schlittenhunden ausgegraben haben, schließt der Archäologe auf Fernhandel, der auf Schlitten-Transporte basierte. „Die beste Jahreszeit für solche Reisen dürfte im April gewesen sein“, erklärt Pitulko. „Dann war der Schnee noch fest und die Tage waren bereits deutlich länger als die Nächte.“ Fernhandel gab es also bereits in der Steinzeit in den eisigen Regionen im Nordosten Sibiriens.

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