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Die erste Antibabypille wurde noch in der Flasche verkauft.

© Getty Images/Science Museum

Heute vor 63 Jahren: Antibabypille wird zugelassen

1960 wurde in den USA die erste Antibabypille eingeführt. Damals ein Erfolg für Frauenrechte ist sie heute eher Beispiel für unfaire Rollenverteilungen zwischen Mann und Frau.

Eine Kolumne von Patrick Eickemeier

Das Präparat wurde „Enovid-10“ genannt. Seine Entwicklung gilt einigen Fachleuten als einer der gesellschaftlich bedeutendsten Fortschritte der modernen Medizin. Der Hersteller, die G.D. Searle Company in Chicago, Illinois, brachte es als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden auf den Markt.

Eingesetzt wurde es aber schon früh als erstes hormonelles, einnehmbares Verhütungsmittel, mit dem Frauen ihre Fruchtbarkeit regulieren und besser planen konnten, ob, wann und mit wem sie Kinder haben wollten. Am 9. Mai 1960, heute vor 63 Jahren, ließ die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA die erste Antibabypille zu.

Die Idee einer „Geburtenkontrolle-Pille“ wurde von der heute umstrittenen Frauenrechtlerin Margaret Sanger propagiert. Sanger hatte im Jahr 1916 die erste US-amerikanische Klinik für Familienplanung und Geburtenkontrolle in Brooklyn mit eröffnet. Als Krankenschwester hatte sie die damals häufigeren schweren gesundheitlichen Folgen von Abbrüchen ungewollter Schwangerschaften vielfach miterlebt.

Sanger wollte per Geburtenkontrolle aber auch die Fortpflanzung „genetisch Entarteter“ verhindern. Die wohlhabende Frauenrechtlerin Katharine McCormick unterstützte die wissenschaftlichen Studien zur Entwicklung der Pille finanziell.

Die Rassenlehre der Nazis lehnte Sanger später ab. Sie propagierte aber Zwangssterilisationen und Eugenik.

© imago images/ZUMA Wire/Circa Images

Die erste Pille aus synthetischen Formen der Hormone Östrogen und Progesteron war nach heutigen Erkenntnissen viel zu hoch dosiert. Dass die Einnahme mit einem erhöhten Risiko von Blutverklumpungen und lebensbedrohlichen Gefäßverschlüssen in Lunge, Herz oder Gehirn einherging, wurde erst rund zehn Jahre später erkannt.

Die erste Zulassung als Antibabypille war aufgrund der zuverlässigen Verhütungswirkung erteilt worden, da sie auch Schwangerschaften und Geburten als Gesundheitsrisiken verminderte.

Ergebnisse einer Befragung, die 2022 im Fachjournal „The Lancet“ veröffentlicht wurden, zeigen, dass weltweit ein hoher ungedeckter Bedarf für sichere Verhütungsmittel besteht, vor allem in Afrika südlich der Sahara. Insgesamt hätten 160 Millionen Frauen keine Verhütungsmittel einsetzen können, um eine Schwangerschaft zu verhindern.

In Deutschland nahm laut einer Erhebung der Krankenkasse AOK im Jahr 2020 nur noch ein Drittel der jungen Frauen bis 20 Jahren die Pille – gegenüber fast der Hälfte noch im Jahr 2010. Ursache sei wahrscheinlich das stärkere Bewusstsein über mögliche Nebenwirkungen der Hormonpräparate wie Thrombosen, aber auch Depressionen. Pillen für den Mann befinden sich weiterhin in klinischer Erprobung, bislang ist kein vergleichbares Präparat erhältlich.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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