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Symbolbild für den Forschungsbereich Robotik an der Berliner Hochschule für Technik (BHT). Im Bild Mitarbeitende und Studierende der BHT mit einem Myon-Roboter.

© Ernst Fesseler/BHT

Kritik an Berliner Fachhochschul-Kommission: „Das Promotionsrecht wird verschleppt“

Ein Berliner Promotionsrecht für Fachhochschulen ist gesetzlich garantiert, aber wann startet es? Der Senat schaltet eine Expertenkommission dazwischen.

Das neue Hochschulgesetz gibt es seit 2021, unser Vorschlag für eine Verordnung und Satzung liegt vor, wir haben überall Strukturen geschaffen, um Promovierende zu begleiten, und wir promovieren schon seit vielen Jahren.“ Anne König, BWL-Professorin an der Berliner Hochschule für Technik und Vorsitzende des hiesigen Hochschullehrerbundes, ist die Ungeduld deutlich anzuhören, wenn sie über den Stand der Dinge beim Promotionsrecht für die Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) spricht.

Dass die Hochschulen ihr gesetzlich verbrieftes Recht noch immer nur in Kooperation mit Universitäten und nicht eigenständig ausüben können, sei „zumindest irritierend“, so König. „Dabei ist uns vollkommen unklar, welche Bedenken der Senat noch hat.“ Klar ist unterdessen, wie es aus Sicht der Wissenschaftsverwaltung weitergehen soll: Sie steht kurz davor, eine Expertenkommission einzusetzen.

Die Kommission habe „den Auftrag, Empfehlungen zur Umsetzung des berlinspezifischen Organisationsmodells zu entwickeln, die Eingang in die zu erstellende Rechtsverordnung finden werden“, teilt Hans-Christoph Keller, Sprecher von Senatorin Ulrike Gote (Grüne), auf Anfrage des Tagesspiegels mit. Benannt sei schon der Vorsitzende, Hochschulforscher Stefan Hornbostel. Einen exakten Zeitplan für die Treffen und für die Empfehlungen gebe es noch nicht. Die Gesetzesverordnung, mit der das Promotionsrecht dann starten kann, solle „nach derzeitigem Stand im Lauf des Jahres 2024“ abgeschlossen sein.

Hinter andere Länder zurückgefallen

Wenn das eine Festlegung ist, fällt sie sehr vage aus, zumal das Wissenschaftsressort nach der erfolgten Wiederholungswahl neu besetzt werden könnte. „Wir können uns keine weitere Verzögerung leisten“, sagt denn auch der Linken-Abgeordnete und Wissenschaftsexperte Tobias Schulze. Die Berliner Hochschulen gehörten zu den forschungsstärksten in Deutschland und dürften „nicht länger hinter dem Entwicklungsstand in anderen Bundesländern zurückfallen“.

Durch die Verzögerung müssen wir weiterhin mit dem Wettbewerbsnachteil umgehen, bei Berufsverhandlungen noch immer keine Aussagen zum Promotionsrecht treffen zu können.

Andreas Zaby, HWR-Präsident und HAW-Sprecher der Rektorenkonferenz

Schon jetzt würden den Berliner HAW potenzielle Promovierende und damit der eigene wissenschaftliche Nachwuchs abspringen. Sie suchten sich lieber unkompliziertere Programme im Ausland. „Wir wollen die Promovierenden hervorragend betreuen und haben ein großes Eigeninteresse an hoher Qualität“, betont Anne König. Die Autonomie der Hochschulen ernst zu nehmen, „würde bedeuten, uns machen zu lassen“ – ohne die dazwischengeschaltete Expertenkommission. „Das empfinde ich als Bremse.“

So sieht es auch Andreas Zaby, Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR), Sprecher der HAW in der Landesrektorenkonferenz: „Diese Verzögerung ist bedauerlich, denn wir müssen damit weiterhin mit dem seit Jahren bestehenden Wettbewerbsnachteil umgehen, bei Berufsverhandlungen noch immer keine Aussagen zum Promotionsrecht treffen zu können.“

Praxisforschung im Beobachtungslabor des Bereichs Pädagogik der frühen Kindheit an der Alice Salomon-Hochschule.

© ALEXANDER RENTSCH

Wozu braucht es überhaupt die Kommission? Tatsächlich ist schon vieles zur Ausgestaltung des Berliner HAW-Promotionsrechts gesetzlich vorgegeben. Das sagt auch die Wissenschaftsverwaltung: So sei das NRW-Modell mit einem Promotionszentrum als Anlaufstelle für Professor:innen, ihre exzellenten Forschungsgebiete und ihre dort promovierenden Studierenden vom Tisch.

„Zu hervorragenden Promotionen in der Lage“

„Ein zentrales Modell ist in Berlin gesetzlich ausgeschlossen, hier kann das Promotionsrecht einzelnen HAWen verliehen werden“, erklärt Hans-Christoph Keller. Die Rechtsverordnung, die die praktische Umsetzung regelt, solle die Hochschulen „dabei unterstützen, ihre strategische Profilbildung in der Forschung gezielt voranzutreiben“, so der Verwaltungssprecher. Dafür sei der Rat der Expert:innen gefragt.

Gerade bei der Profilbildung sehen König und Zaby die Hochschulen indes schon am Ziel: mit bestehenden Forschungsclustern etwa zu Data Science, Sozialer Arbeit, Gesundheitswissenschaften und weiteren Feldern in den Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften. Diese seien in der Lage, „hervorragende Promotionen durchzuführen“, so Zaby.

Der HWR-Präsident macht sich dafür stark, das dezentrale hessische Modell als Vorbild für Berlin zu wählen. „Diesem wurde kürzlich von einer Expertenkommission in einem umfassenden Evaluationsbericht eine hohe wissenschaftliche Leistungsfähigkeit bestätigt.“ Der Bericht liege in Berlin allen Beteiligten vor, für ähnliche Berliner Regelungen bedürfe es nicht einer neuen Kommission.

Der Zusammenarbeit mit den Expert:innen um Stefan Hornbostel will sich Zaby aber nicht verweigern. Vielmehr wolle man deren Arbeit „beschleunigen“: Würden die Vorarbeiten und Vorschläge der Hochschulen endlich berücksichtigt, wäre Zeit gewonnen. Dafür böten die Berliner HAW der Wissenschaftsverwaltung und der künftigen Kommission an, „direkt an den Qualitätskriterien zu arbeiten“. So würden nicht noch einmal wertvolle Monate ins Land gehen, „in denen auf einen Abschlussbericht gewartet werden muss“.

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