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Schlafen ist für Zügelpinguine eine Sache von Sekunden. Wachsein auch.

© Paul-Antoine Libourel

Pinguine sind Schlafkünstler: Vier Sekunden schlummern, zehntausendmal täglich

Bei Zügelpinguinen sichert regelmäßiger Sekundenschlaf das Überleben. Auch wegen der fiesen Nachbarn.

Tagsüber mal kurz einzunicken, kann für Menschen, etwa beim Autofahren, gefährlich werden. Bei antarktischen Zügelpinguinen gehört Sekundenschlaf hingegen zum Alltag. Mehr als zehntausendmal pro Tag fallen ihnen die Augen für durchschnittlich vier Sekunden zu, berichtet ein Forschungsteam im Fachblatt „Science“.

Zügelpinguine leben im Westen und Norden der Antarktis und auf einigen subantarktischen Inseln, etwa Livingstone oder King George Island. Dort lässt sich das ständige „Blinzeln“ der Tiere beobachten: In ihren aus Steinen gebauten Nestern brütend fallen ihnen immer wieder die Augen zu, die sie nach wenigen Sekunden wieder aufreißen, um einen kurzen Blick in die Umgebung zu werfen und dann erneut einzuschlafen.

Insgesamt elf Stunden Schlaf

Mit diesen permanenten Schlaf-Episoden kommen die Zügelpinguine am Tag durchschnittlich auf insgesamt über elf Stunden, beobachteten Paul-Antoine Libourel vom Neurowissenschaftlichen Zentrum der nationalen französischen Forschungsorganisation CNRS in Lyon und Won Young Lee vom Koreanischen Polarforschungsinstitut.

Die Vögel im Zentrum der Kolonie hatten deutlich mehr Stresshormone im Blut als ihre Artgenossen am Rand.

Niels Rattenborg, Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz in Seewiesen

Das sei offenbar erholsam genug, sagt Niels Rattenborg vom Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz in Seewiesen, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. „Trotz dieser extrem kurzen Nickerchen können die Tiere ihren Nachwuchs erfolgreich aufziehen“.

Beim Brüten dösen Zügelpinguine (auch: Kehlstreif-Pinguine) immer nur Sekunden weg. Nachbarn könnten ihnen ihr Nestmaterial streitig machen.
Beim Brüten dösen Zügelpinguine (auch: Kehlstreif-Pinguine) immer nur Sekunden weg. Nachbarn könnten ihnen ihr Nestmaterial streitig machen.

© Won Young Lee

Um zu überprüfen, ob die Tiere in der kurzen Zeit tatsächlich schlafen, legten die Forscher 14 Zügelpinguinen kleine Geräte an, die die elektrischen Aktivitäten im Gehirn der Tiere aufzeichneten. Nach elf Tagen hatte das Team genug Daten gesammelt, um mit Sicherheit sagen zu können, dass die Pinguine im Durchschnitt knapp vier Sekunden lang schlafen, dann ähnlich lange wach sind, um erneut wegzudösen.

Auf King George Island und anderen antarktischen Inseln leben Zügelpinguine in großen Kolonien.
Auf King George Island und anderen antarktischen Inseln leben Zügelpinguine in großen Kolonien.

© Paul-Antoine Libourel

Es gibt weitere Vögel mit relativ kurzen Schlafperioden, etwa Blaumeisen. „Sie wachen in einer Stunde drei- bis zehnmal auf“, sagt Niels Rattenborg, der in Seewiesen die Forschungsgruppe „Vogelschlaf“ leitet. „Dann schauen sie sich um, ob sie etwas Ungewöhnliches oder eine Gefahr erkennen, und schlafen wieder ein, wenn alles friedlich ist.“ Auch Menschen schlafen normalerweise in rund neunzig Minuten langen Etappen, und wachen zwischendrin kurz, oft unmerklich, auf.

Schlafraubende Nachbarn

Einen so extremen Kurzschlafrhythmus wie bei Zügelpinguinen sei aber bisher noch nicht beobachtet worden, sagt Rattenborg. Ursache für das außergewöhnliche Verhalten könnte sein, dass Zügelpinguine auf den einsamen Antarktisinseln zwar vor Landraubtieren sicher sind, aus der Luft aber ständige Gefahr droht: Braune Skuas, große Raubmöwen, holen sich gerne die Eier oder auch die Küken der Pinguine. Gefährdet sind dabei vor allem die Nester an den Rändern einer Kolonie.

Doch es sind nicht nur die Pinguine am Kolonierand, die zum Sekundenschlaf gezwungen sind. Die im Inneren brütenden Tiere hatten sogar noch kürzeren Sekundenschlaf. Diese Beobachtung deckt sich mit einer anderen Studie an einer anderen Pinguin-Art. „Dort hatten die Vögel im Zentrum der Kolonie deutlich mehr Stresshormone im Blut als ihre Artgenossen am Rand“, sagt Rattenborg.

Tatsächlich haben die im Zentrum der Kolonie brütenden Pinguine zwar weniger Angriffe von Möwen, dafür aber sehr viel mehr Auseinandersetzungen mit Artgenossen zu befürchten, die ihnen etwa Steine aus dem Nest stehlen. Die Gründe, aus denen sich Zügelpinguine nur Sekundenschlaf gönnen können, sind also vor allem die lieben Nachbarn.

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