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Langleinen-Fischerboote warten im Hafen von Honolulu auf das Auslaufen.

© Sarah Medoff

Wertvolle Meeresschutzgebiete: Fischer profitieren auch außerhalb der Grenzen

Meeresschutzgebiete kommen der Fischerei zugute, auch wenn Fanggebiete kleiner werden. Erfahrungen vor Hawaii lassen sich bislang aber nicht auf deutsche Gewässer übertragen.

30 Prozent ihrer Meeresgebiete wollen die Länder der Europäischen Union bis 2030 unter Schutz stellen, weltweit haben sich etliche Länder wie die USA zu ähnlichen Maßnahmen verpflichtet. Abgesehen von globalen Einflüssen wie dem Klimawandel, der Versauerung der Meere oder auch Verschmutzungen mit Plastik und anderen Substanzen sollen die komplexen Ökosysteme dort weitgehend ungestört bleiben.

Leer ausgehen dürften jedoch Fischer, die in solchen Schutzgebieten ihre Netze und Langleinen nicht mehr auswerfen dürfen. Allerdings verweisen Meeresschützer schon lange darauf, dass die Reservate bald einen Überschuss von Fischen produzieren sollten, der außerhalb des Schutzgebiets gefangen werden könnte. Eindeutige wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Effekt waren bisher Mangelware.

Man müsste die bestehenden Schutzgebiete schützen.

 Rainer Froese, GEOMAR

Eine Gruppe um Sarah Medoff von der University of Hawaii in Honolulu hat jetzt verglichen, wie viel einzelne Schiffe vor und nach Einrichtung eines Schutzgebiets außerhalb von dessen Grenzen fangen. Sie stellen ihre Ergebnisse in der Zeitschrift „Science“ vor.

Das Einrichten von Schutzgebieten kann den Fischfang deutlich verändern, wenn Schiffe von ihren bisherigen Fanggründen im neuen Reservat auf andere Gebiete ausweichen müssen. Die Gebiete außerhalb könnten dadurch intensiver befischt werden und die Fänge steigen, obwohl die Zahl der Fische gar nicht zugenommen hat. Sarah Medoff und ihr Team konzentrierten sich daher auf die Beobachtung einzelner Schiffe, um Fehlinterpretationen der Fangzahlen zu vermeiden.

Fänge wie diese Thun-Fische werden in Honolulu versteigert.

© Sarah Medoff

Das Untersuchungsgebiet lag vor Hawaii. Dort erstreckt sich eine Kette kleiner und unbewohnter Inseln und Atolle rund 2000 Kilometer nach Westen. Im Jahr 2006 wurde um diese Inseln das Papahānaumokuākea Marine National Monument ausgewiesen, das mit einer Fläche von 362.000 Quadratkilometern eine ähnliche Fläche hat wie Deutschland. 2016 wurde dieses Meeresschutzgebiet auf 1,5 Millionen Quadratkilometer ausgedehnt und ist damit heute nach dem Rossmeer in der Antarktis das zweitgrößte Meeresreservat auf der Erde.

Bei ihrer Analyse konzentrierte sich das Team auf die Langleinenfischerei, die mit Tausenden von Haken Gelbflossen- und Großaugen-Thunfische fängt. Beide Arten können mehr als zwei Meter lang werden, sind beliebte Speisefische und profitierten kräftig von der Vergrößerung des Schutzgebiets: Zogen die Fischer weit außerhalb des Reservats vor dessen Erweiterung die Langleinen an Bord, hingen an tausend Haken im Schnitt 4,3 Großaugen-Thune. Nach der Vergrößerung des Gebiets stieg diese Quote um fast zwölf Prozent auf 4,8. Bei den Gelbflossen-Thunen hatte sich das Fang-Ergebnis sogar von einem Fisch pro tausend Haken auf 1,6 um mehr als die Hälfte verbessert.

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Schwacher Schutz für deutsche Meeresgebiete

Lässt sich dieses Ergebnis aus dem tropischen Pazifik auch auf deutsche Gewässer übertragen? 45 Prozent der heimischen Meeresflächen in Nord- und Ostsee stehen bereits unter Schutz. Weshalb die Fischbestände und Fangzahlen an den Außengrenzen dieser Meeresschutzgebiete nicht längst kräftig steigen, erklärt der Meeresbiologe Rainer Froese vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR) mit einem verblüffenden Satz: „Man müsste die bestehenden Schutzgebiete schützen.“

Ist im Papahānaumokuākea Marine National Monument das Fangen von Fischen oder Unterwasserbergbau verboten, sieht die Situation nicht nur in deutschen, sondern auch in vielen anderen europäischen Reservaten viel schlechter aus: „Alles, was vor Einrichtung eines Schutzgebietes erlaubt war, darf auch nachher weitergehen“, erklärt Rainer Froese. Wurde also vor dem Schutzstatus Kies gebaggert, dürfen die runden Steine auch im Reservat aus dem Meer geholt werden.

Auch Fischer dürfen in den Schutzgebieten weiter auf Fang gehen. Sogar die Grundschleppnetze, die den Meeresgrund regelrecht umpflügen und so das Ökosystem immer wieder massiv stören, werden in den Reservaten weiter eingesetzt. „Der Schutz besteht bisher ganz überwiegend nur auf dem Papier“, fasst Rainer Froese die Situation zusammen. „Die zuständigen Umweltbehörden können sich nicht gegen den Widerstand anderer Ministerien durchsetzen.“

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