"Mörder, Mörder", schallt es aus tausendfach, hundertausendfach durch die Straßenschluchten im Zentrum Madrids. Der Sturm, der Orkan des Protestes gegen die baskische Terrorgruppe Eta bricht sich an den zehn Stockwerken hohen Fassaden, donnert durch die ganze Altstadt.
Alle Artikel in „Politik“ vom 23.01.2000
Der Stammtisch, sowohl ein realer wie ein symbolischer Ort, hat es schon immer gewusst und fühlt sich auf das Schönste bestätigt: Politik ist ein schmutziges Geschäft; Macht korrumpiert; Politiker sind käuflich, bestechlich, handeln nur im eigenen Interesse, mauscheln, lügen und betrachten den Staat als Selbstbedienungsladen. Es ist klar, warum der Stammtisch so denkt, so denken muss: aus Selbstachtung.
Die Welt wartet, jedenfalls die CDU, dass Helmut Kohl sein Schweigen bricht - und dann, am späten Nachmittag, eine Erklärung, auf Fraktionspapier verbreitet: "Um Schaden von der Christlichen Demokratischen Union abzuwehren, habe ich mich entschlossen, die Namen der Persönlichkeiten, die meine Arbeit in der CDU finanziell unterstützt haben, vor einem hochrangigen Ausschuss zu nennen." Die CDU, mindestens die, atmet auf.
Demonstrationen sind gut, politische Lösungen besser. Die Massenproteste in Spanien gegen den wieder aufgeflammten Terror der baskischen ETA sind ein eindrucksvolles Signal der Solidarität.
Wenn Eva Joly Abstand von ihrer Arbeit sucht, schreibt sie sich beim Nationalen Institut für Hohe Verteidigungsstudien als Gasthörerin ein. Und Abstand braucht die Richterin, die die Untersuchung der Korruptionsaffäre um den Erdölkonzern Elf leitet, immer mal wieder.
Für den früheren Fußball-Bundestrainer Berti Vogts bleibt Helmut Kohl trotz der Parteispendenaffäre "sein ganz großer politischer Freund". Er habe mehrmals probiert, den Ex-Kanzler über dessen Büroleiterin Juliane Weber zu erreichen und werde es weiter versuchen, sagte Vogts der "Bild am Sonntag".
Nein, sie sind nicht miteinander fertig. Nicht Helmut Kohl mit der CDU, nicht die CDU mit Helmut Kohl.
Jürgen Möllemann setzt wieder einmal auf das kurze Gedächtnis seiner möglichen Wähler. Seit Monaten lockt er politische Freunde und solche, die es werden wollen, nach Düsseldorf.
Kann die CDU Altkanzler Helmut Kohl vor den Kadi bringen? Sie kann - jedenfalls theoretisch.
Als Karlheinz Schreiber (65) im vergangenen September nach einwöchiger Haft in Kanada von einem Richter gegen mehr als eine Million Dollar Kaution freigelassen wurde, machte er eine Bemerkung, die in der Rückschau wie Stoff für absurdes Theater anmutet. "Er stimmt zu, abgehört zu werden,", sagte Eddie Greenspan über seinen Mandanten, "aber falls die Polizei seinen Telefongesprächen zuhört, bin ich sicher, daß sie sich zu Tode langweilen".
Erst schüttelt Helmut Reul den Kopf, dann verdreht er die Augen und schließlich hebt er die Hände, als wenn er irgendeinen Angriff abwehren wollte. "Nein, das kann ich mir nicht vorstellen", sagt er schließlich und wiederholt dieses "Nein" in kurzen Abständen gleich mehrfach.
Warum dies?Zunächst das: Das Wort "Korruption" weckt Assoziationen wie Süden, wie Sommer, ein vitales, hupendes, hitziges Stadtambiente, in dem braungebrannte Männer unter schattigen Palmen Verhandlungen führen.
"Mitten im Leben", heißt es auf dem Hintergrund, vor dem die Oberen der CDU das jeweils neueste Scheibchen an Enthüllungen vorstellen. Tatsächlich eignet sich, was in diesen Tagen an vordem verdeckten Vorgängen aus der bundesdeutschen Politik sichtbar wird, zum Nachdenken über die Beziehungen zwischen Fiktion und Realität.