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Bei Audionet aus Berlin-Spandau wird noch per Hand geschraubt.

© Jens Tartler

Handgemachtes für die Ohren: Audionet aus Spandau beliefert die HiFi-Nerds

Unter Audiophilen genießt das Berliner Unternehmen einen Ruf wie Donnerhall. Doch vor einigen Jahren wäre fast alles vorbei gewesen. Ein Werkstattbesuch.

Die Endmontage und der Versand der High-End-HiFi-Geräte von Audionet sitzen im Erdgeschoss des denkmalgeschützten ehemaligen Lagerhauses von Kaiser’s Kaffee in Spandau. Es ist kein Scherz, wenn Geschäftsführer Stefan Schwehr sagt: „Das liegt am Gewicht der Geräte.“

Die Verstärker, die hier vom Brunsbütteler Damm aus ihre Reise zum Beispiel nach Australien, China, Taiwan oder in die USA antreten, wiegen bis zu 58 Kilogramm – die CD-Spieler sind etwas leichter. Die schwere und hochwertige Technik schlägt sich auch im Preis nieder: Die meisten Audionet-Geräte bewegen sich im fünfstelligen Bereich.

Damit sind sie auf der Messe High End in München, die am Donnerstag, 18. Mai, beginnt, in guter Gesellschaft. Schwehr und seine neun Kollegen bereiten ihren Auftritt beim wichtigsten Branchentreff für erlesenes High-Fidelity vor, als der Tagesspiegel zu Besuch kommt.

Mit der Messe verbindet Audionet und sein heutiger Chef eine Geschichte, die unter anderem eine Insolvenz im Jahr 2018 und die Rettung durch Schwehr unter Einsatz seiner privaten Ersparnisse enthält.

Stefan Schwehr, heute Geschäftsführer von Audionet, hat den HiFi-Spezialisten mit privatem Kapital gerettet.
Stefan Schwehr, heute Geschäftsführer von Audionet, hat den HiFi-Spezialisten mit privatem Kapital gerettet.

© AudioNet

Ursprünglich war Audionet ein Bochumer Unternehmen und Schwehr ein Frankfurter, der bis heute seinen Hauptwohnsitz in Stuttgart hat, aber gerne nach Berlin pendelt. Der Umzug der Firma aus dem Ruhrgebiet nach Berlin-Tempelhof bricht ihr das Genick, aber dank Schwehr führt sie in Spandau nun ein zweites Leben – und ein wirtschaftlich gesundes.

Angefangen haben die Audionet-Gründer mit Medizintechnik

Wie auch der bekanntere Berliner High-End-Hersteller Burmester hat Audionet seine Wurzeln in der Medizintechnik. Wissenschaftler von der Uni Bochum gründeten ein Spin-off namens Idektron. Anfang der 1990er-Jahre überlegten sie, wo sie ihre hochpräzisen Schaltungen, die selbst bei minus 269 Grad funktionieren, noch einsetzen könnten. Sie kommen auf HiFi und schaffen die Marke Audionet. Die wird Mitgründer der deutschen High End Society, die auch die Messe in München veranstaltet.

Mindestens 80 Prozent des Wertes unserer Geräte stammen aus Deutschland.

Stefan Schwehr, Geschäftsführer von Audionet

Da der damalige Chef in Berlin wohnte und das Pendeln nach Bochum leid wurde, kam er auf die Idee, das Unternehmen nach Berlin zu verfrachten. 2016 ging es auf das alte Schwarzkopf-Gelände im südlichen Schöneberg. Doch der Hochlauf der Produktion klappte nicht wie erhofft, wichtige Leute waren in Bochum geblieben. „Das ist sehr hakelig gelaufen“, sagt der heutige Chef Schwehr. Er kann diese Phase als Außenstehender beurteilen.

Im Oktober 2018 bekommt Schwehr einen Anruf des verzweifelten Audionet-Chefs Thomas Gessler. Der hat gerade eine Insolvenz hingelegt. Er fragt, ob Schwehrs Arbeitgeber, der Autozulieferer Paragon, bei Audionet einsteigen will. Paragon hat schon Kontakt zu Audionet. Der Zulieferer fertigt Elektronik, unter anderem die Mikrofone für die Freisprechanlagen von VW und BMW. Auf der Messe High End hatte Paragon 2017 auf dem Audionet-Stand einen Porsche Cayenne mit einer kompletten Sound-Anlage aus eigener Produktion gezeigt.

Schwehrs Chef entscheidet aber: Die Schnittmenge zwischen den beiden Unternehmen ist zu klein. So entscheidet Schwehr, dessen Vertrag als Geschäftsführer bei Paragon ohnehin ausläuft, nach dreitägigen Beratungen mit seiner Frau: Wir übernehmen Audionet. Sie bezahlen mehrere hunderttausend Euro für die Geräte, Werkzeuge, Anlagen, Lizenzen und Schutzrechte. „Unsere Kinder waren aus dem Haus, da haben wir es gewagt“, sagt der promovierte Mikroelektroniker.

Die Techniker sind auf ein bestimmtes Gerät spezialisiert – keine Fließbandarbeit.
Die Techniker sind auf ein bestimmtes Gerät spezialisiert – keine Fließbandarbeit.

© Jens Tartler

Im Dezember 2018 gründet der frühere Mercedes-Entwicklungsingenieur die Audionet GmbH, innerhalb von acht Wochen muss die Firma ihre Räume verlassen, weil durch die Insolvenz der Mietvertrag gekündigt wurde. Im März 2019 zieht Audionet in das ehemalige Kaffeelager.

Jedes Bauteil ist genauestens vermessen

Wer sich dort umschaut, erkennt sofort: Es handelt sich um eine echte Manufaktur. Jeder Elektroniker ist auf ein bestimmtes Gerät spezialisiert. Die Materialien sind sehr hochwertig, jedes Bauteil genauestens vermessen, wie Schwehr betont. Die Leiterplatten werden bei Zulieferern in Tempelhof und Brandenburg bestückt, die aus dem vollen Metall gefrästen Gehäuse kommen von einem anderen Spezialisten aus Tempelhof. „Mindestens 80 Prozent des Wertes unserer Geräte stammen aus Deutschland“, verspricht Schwehr.

Was unterscheidet seine Geräte von denen der Konkurrenz? Der Chef, der mit einem Master-Studenten und externen Ingenieurbüros auch für die Entwicklung verantwortlich ist, verweist auf den Werbespruch „Scientific magic“: „Wir nutzen wissenschaftliche Methoden. Deshalb wissen wir, was wir tun.“ So stünden seine Anlagen für maximale Authentizität: „Wir holen alles raus, was auf der CD oder der Schallplatte drauf ist.“

Mit Streaming beschäftigt sich Audionet natürlich auch, aber Schwehr findet die Silberlinge und die Vinylplatten „haptischer“. Ganz neu ist der Phono-Vorverstärker mit vier Kanälen: Mit diesem kann der High-End-Besessene vier verschiedene Plattenspieler oder Tonarme parallel betreiben – je nach Musikrichtung mal den einen oder den anderen. Auch dieses Gerät wird in München zu sehen und zu hören sein.

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