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Zaun um den Görlitzer Park

© Bearbeitung: Seuffert/ Tagesspiegel/imago; Freepik

Exklusiv

Görlitzer Park in Berlin: Straftaten 2023 um zwölf Prozent zurückgegangen – doch Slowik findet Zaun richtig

Die Kriminalitätsstatistik zeigt einen Rückgang von Straftaten rund um den Görlitzer Park. Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik plädiert trotzdem für einen Zaun.

Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik hat einen Rückgang der Straftaten im Kriminalitätshotspot Wrangelkiez samt Görlitzer Park festgestellt, verteidigt aber die Einzäunung und nächtliche Sperrung der Grünanlage. Die Polizei habe in diesem Bereich im vergangenen Jahr knapp 5800 Straftaten festgestellt. „Das ist ein Rückgang um 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr“, sagte Slowik dem Tagesspiegel.

Dennoch sei die Kriminalität weiter hoch, vor allem durch Drogenhandel, Verstöße gegen das Ausländerrecht, Gewalttaten und Raub – häufig auch mit Messern und Schlagwerkzeugen. Von den 5800 Straftaten sei etwa ein Viertel, also rund 1450, im Görlitzer Park verübt worden, ein Großteil nachts. 2022 waren es 1567 Straftaten im Görli, weitere 5188 drumherum. In den Vorjahren waren es jeweils mehr als 4000 außerhalb des Parks.

Nur wenige sexuelle Übergriffe

Auch die Zahl registrierter mutmaßlicher sexueller Übergriffe und Vergewaltigungen im Hotspot Wrangelkiez samt Görlitzer Park ging zurück: im vergangenen Jahre waren es zwölf, 2022 waren es 14. Die Zahl sonstiger Sexualdelikte blieb 2023 mit 20 nahezu konstant, 2022 waren es 19. Für den Görlitzer Park erfasst die Polizei im vergangenen Jahr fünf Strafanzeigen zu den Delikten „Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexueller Übergriff“, im Jahr zuvor waren es drei.

Zu einer mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung im Juni war kürzlich der Prozess gegen drei Angeklagte – alle abgelehnte Asylbewerber – geplatzt. Das mutmaßliche Opfer aus Georgien sah sich nicht in der Lage, aktuell vor Gericht auszusagen. Es waren auch Zweifel aufgekommen, ob es eine Vergewaltigung gab. Der Fall hatte im vergangenen Sommer die vom schwarz-roten Senat betriebene Sicherheitsdebatte um den Görlitzer Park zusätzlich befeuert. Bis zum Sommer soll der Park nun umzäunt werden.

2200
sogenannte „verhaltensabhängige Durchsuchungen“ führte die Polizei 2023 im Hotspot durch.

Slowik führte den Rückgang der Straftaten rund um den Park auch auf den Einsatz der Brennpunkt- und Präsenzeinheit (BPE) zurück. Die Einheit habe 40 Prozent der im Hotspot angefallen Einsatzkräftestunden geleistet. Es seien 56 Aufenthaltsverbotsverfügungen erteilt worden, mehr als 2200 „verhaltensabhängige Durchsuchungen“ und 4500 Identitätsfeststellungen durchgeführt worden. „Das entfaltet Wirkung“, sagte die Polizeipräsidentin. In sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten hat die Polizei mehr Befugnisse wie verhaltensabhängige Identitätsfeststellungen und Durchsuchungen.

Polizeipräsidentin Barbara Slowik.
Polizeipräsidentin Barbara Slowik.

© Mario Heller/Tagesspiege

Die Behördenchefin begrüßte auch die Pläne des Senats, den Görlitzer Park einzuzäunen und nachts zu schließen. „Die Frage, die es zu beantworten galt, war: Wie kann man potenzielle Opfer nachts vor schweren Straftaten schützen“, sagte die Behördenchefin. Derzeit werde diskutiert, den Park zwischen 23 und 6 Uhr zu schließen. „Das ist auch das Zeitfenster, das bisher den Schwerpunkt der Tatzeiten bildet, vor allem an den Wochenenden“, sagte Slowik. „Ein Zaun beruhigt daneben vielleicht auch die Kriminalitätslage tagsüber, weil der Park für Straftäter insgesamt unattraktiver wird. So ist es dann nachts zum Beispiel nicht mehr möglich, dort zu nächtigen und Bunker für Drogen anzulegen.“

Die Drogendealer vor Ort sind inzwischen häufig selbst drogen- und alkoholabhängig. Die Verwahrlosung, Enthemmung oder Aggressivität nehmen zu und werden merklicher.

Barbara Slowik, Polizeipräsidentin von Berlin

Die Polizeipräsidentin zeigte sich skeptisch, ob es wegen des Zauns und der nächtlichen Schließung zu einer Verdrängung von Straftaten in den umliegenden Wrangelkiez kommt. „Wir arbeiten seit langem mit einem ganzheitlichen Maßnahmenansatz, der den gesamten kriminalgeografischen Raum inklusive des Wrangelkiezes bis hin zum kriminalitätsbelasteten Ort Kottbusser Tor umfasst, um Verdrängungseffekten zu begegnen“, sagte Slowik. „Mit dieser Schwerpunktsetzung haben wir auch unsere Brennpunkt- und Präsenzeinheit eingerichtet.“ Die Polizei sei auch im Wrangelkiez präsent und für die Menschen ansprechbar. „Mit der temporären Schließung des Görlis haben wir die Möglichkeit, dann auch dort noch mehr präsenter zu sein“, sagte Slowik.

Den Eindruck von Anwohnern, dass auch im Kiez um den Görli die Kriminalität zugenommen habe, konnte Slowik nicht bestätigen. „In den Zahlen sehen wir für den kriminalitätsbelasteten Ort insgesamt eine Abnahme der Straftaten. Die gefühlte Sicherheit kann davon natürlich abweichen, je nachdem, wie einschneidend Straftaten wahrgenommen wurden“, sagte die Polizeipräsidentin.

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Dazu könnte nach Slowiks Darstellung auch ein neues Phänomen beitragen. „Was sich für die Menschen im Kiez spürbar verändert hat, ist sicher auch, dass die Drogendealer vor Ort inzwischen häufig selbst drogen- und alkoholabhängig sind. Die Verwahrlosung, Enthemmung oder Aggressivität nehmen zu und werden merklicher.“

Aktivisten und Anwohner streiten über den Zaun

Die Arbeit der Polizei werde auch durch sehr unterschiedliche Positionen der Anwohner erschwert. „Interessant ist, dass dort keine einheitliche gesellschaftliche Haltung zu finden ist. Das war schon immer eine Herausforderung für uns“, sagte Slowik. Einige wollten sämtliche Straftaten bekämpft sehen, andere tolerierten Drogenverstöße „und gehen die Polizei deutlich an“.

Tatsächlich gibt es das „Bündnis Görli zaunfrei“ um die Gruppe „Wrangelkiez united“ und die Initiative „Bizim Kiez“, die für Sonnabend zu einer Demonstration gegen die Zaunpläne aufrufen. Das Bündnis gegen den Zaun und die Grünen argumentieren, dass die nächtliche Schließung Obdachlose, Drogensüchtige und Dealer noch mehr in die umliegenden Straßen und Wohnhäuser treibe. Anstelle „von Law-and-Order-Populismus und Zäunen“ müssten Konsumräume oder Übernachtungsangebote her. Gegen den Drogenhandel brauche es „Lebensperspektiven und eine Arbeitserlaubnis“.

Es gibt aber auch Zaun-Befürworter, etwa die „Anwohnergruppe Kiezmarkthalle“. Sie sehen die Zaun-Gegner als reine Aktivisten, die nichts mit dem Kiez zu tun haben. „Viele von uns tatsächlichen Anwohnern des Görli wollen nicht, dass Gruppen wie Bizim Kiez, die einseitig für die grüne Politik arbeiten, das Medienbild der Haltung der ,Anwohner des Görlis’ dominieren.“

Weiter heißt es von der Gruppe: „Viele Anwohner des Görlis wünschen sich nämlich sehr wohl den Zaun und das nächtliche Verschließen des Görlitzer Parks sehnlichst als eine mögliche Lösung für den Kampf gegen Kriminalität, Drogensucht und Dealer.“ Es spreche nichts dagegen, es eine Zeit lang auszuprobieren. „Wir persönlich kennen fast nur Menschen, die am Görli wohnen und sich den Zaun um den Görli und das nächtliche Verschliessen des Parks wünschen.“

Zahlreiche Maßnahmen der Grünen, die das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg schon sehr lange regieren, blieben bisher ohne großen Erfolg, wie ein bezahlter Parkmanager und Parkläufer. Viel Geld soll nun vom Senat in die Drogen- und Obdachlosenhilfe vor Ort fließen. Zugleich will das von den Grünen geführte Bezirksamt sich aber dem Zaunbau auf dem formalrechtlichen Weg verschließen und entsprechende Aufträge nicht übernehmen. Schwarz-Rot ändert für den Zaun eigens das Grünanlagengesetz.

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