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Einer der drei Angeklagten zu Prozessbeginn wegen einer mutmaßlichen Vergewaltigung im Görlitzer Park.

© dpa/Sebastian Gollnow

Berliner Gericht lässt drei Angeklagte frei: Prozess zur mutmaßlichen Vergewaltigung im Görlitzer Park ist geplatzt

Gruppenvergewaltigung im Görlitzer Park? Schwarz-Rot in Berlin hat den Fall für ein Sicherheitspaket im Görlitzer Park genutzt. Doch der Prozess ist geplatzt, das mutmaßliche Opfer kann vorerst nicht aussagen.

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Das Aus kam am fünften Verhandlungstag: Der Prozess um eine mutmaßliche Vergewaltigung im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg ist am Donnerstag vorerst geplatzt. Die drei Angeklagten kommen zudem aus der Untersuchungshaft frei, das Landgericht hob die Haftbefehle auf und setzte das Verfahren am Donnerstag aus.

„Ohne die Zeugin kann nicht verhandelt werden“, begründete der Vorsitzende Richter Thilo Bartl. Das mutmaßliche Opfer Esmer T., die im vergangenen September aus Berlin abgereist war und seitdem in ihrer georgischen Heimat leben soll, habe für eine Vernehmung vor Gericht nicht zur Verfügung gestanden. Sie habe sich lediglich bereit erklärt, sich per Videoschalte aus der deutschen Botschaft in Georgiens Hauptstadt Tiflis vernehmen zu lassen.

Wann der Prozess neu aufgerollt werden könnte, ist völlig offen. Für eine angestrebte Videovernehmung soll nun ein Rechtshilfeersuchen auf den Weg gebracht werden, um das Einverständnis der georgischen Justiz einzuholen. „Von mindestens sechs Monaten ist auszugehen“, sagte Richter Bartl.

Sie ist noch nie abschließend vernommen worden.

Thilo Bartl, Vorsitzende Richter über die Zeugin Esmer T.

Ob es eine Genehmigung geben wird, sei unsicher. Und unsicher bleibe, ob die Frau, zentrale Zeugin in dem Verfahren, dann zu einem Termin erscheinen würde. „Äußerst wechselhaft“ habe sie sich im Ermittlungsverfahren gezeigt, habe Befragungen abgebrochen und sei schließlich ausgereist, ohne die Ermittler zu informieren. „Sie ist noch nie abschließend vernommen worden.“ 

Bereits am Montag war Esmer T. nicht zur geplanten Zeugenaussage gekommen und hatte ihr Erscheinen kurzfristig abgesagt. Der Anwalt von T., der Berliner Opferbeauftragte Roland Weber, sagte dem Tagesspiegel, T. sei in einer Rehabilitationsmaßnahme. Sie habe sich überfordert gefühlt, sei aber bereit, sich per Videoschalte aus der deutschen Botschaft in Georgiens Hauptstadt Tiflis vom Gericht vernehmen zu lassen.

Dem 23-jährigen Mountaga D. aus Guinea sowie dem 22-jährigen Somalier Osman B. und dem 23-jährigen Boubacar B. aus Guinea wird besonders schwere Vergewaltigung, gefährliche Körperverletzung und besonders schwerer Raub vorgeworfen. Sie saßen seit etwa sieben Monaten in Untersuchungshaft.

Das Verhalten der wichtigsten Zeugin führte zur guten Nachricht für die Angeklagten: Nach mehr als sechs Monaten werden sie aus der Untersuchungshaft entlassen. Das Gericht sehe „derzeit keinen dringenden Tatverdacht“. Die bisherigen Aussagen von Esmer T. seien „in Kernpunkten nicht widerspruchsfrei“, sagte der Vorsitzende Richter.

Einvernehmlicher Sex oder Vergewaltigung?

Auch durch eine kurz vor Prozessbeginn aufgetauchte sieben Sekunden kurze Videosequenz seien zumindest Zweifel an ihren Aussagen aufgekommen. „Auf dem Video ist nicht zu erkennen, dass der Oralverkehr erzwungen wurde.“ Ohne weitere Angaben der Zeugin könne nicht ausgeschlossen werden, dass die sexuellen Handlungen freiwillig waren. Aufgenommen worden sein soll das Video von Mountaga D. Es wurde auf dem Handy gefunden, auf das sein Verteidiger aus seinen in Untersuchungshaft verwahrten Habseligkeiten stieß. 

Der Rechtsstaat hat sich bewährt, die Politkarawane zieht weiter.

Mirko Röder, Verteidiger eines Angeklagten

Alle drei Angeklagten sind der Polizei aus dem Drogen- und Dealermilieu bekannt, alle sind abgelehnte Asylbewerber, eingereist nach Deutschland zwischen Juli 2016 und August 2017. Einer verfügt über eine Duldung, die Aufenthaltsgestattung der beiden anderen Männer ist längst gerichtsfest erloschen. Ihnen drohe Abschiebungshaft, hieß es am Rande des Prozesses.

Nach der Aussage von Mountaga D. im Dezember vor dem Haftrichter soll das Paar ihn „zu Sex im Gebüsch überredet“, der Gatte ihm sogar Geld dafür geboten haben – weil sie einen schwarzen Mann wolle. Es soll zu Anal-Verkehr „mit ihrem Einverständnis“ gekommen sein. Später habe er mit seinem Handy noch eine weitere Szene gedreht: Esmer T. beim Oral-Verkehr mit einem anderen Mann – im Beisein ihres Mannes und nach Aussagen des Ehepaares damals im Park ebenfalls einvernehmlich.

Politisch brisant: Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und die schwarz-rote Koalition hatten mit dem Fall maßgeblich die Sicherheitsdebatte um den Görlitzer Park befeuert und die Pläne für einen Zaun um die Grünanlage vorangetrieben. Der Senat beschloss bei einem Sicherheitsgipfel im September, den Görli einzuzäunen und 30 Millionen Euro für Repression und Prävention auszugeben. Zeitlich passend erhob die Staatsanwaltschaft drei Tage zuvor Anklage.

Spermaspuren auf dem Slip

Mit Blick auf die politische Instrumentalisierung des Görli-Falls sagte Mirko Röder, Verteidiger von Boubacar B. am Donnerstag: „Der Rechtsstaat hat sich bewährt, die Politkarawane zieht weiter.“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht das anders. „Wenn wir ehrlich sind, hat dieser Fall dafür gesorgt, dass man nach jahrelanger Planlosigkeit die Sicherheitssituation im Görli endlich mal nachhaltig verbessern möchte und auch das Wegdrücken vor Zuständigkeiten nicht mehr einfach so geduldet wird“, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro. Der geplante Zaun werde im Verbund mit städtebaulicher Kriminalprävention die Situation im Park verbessern. „Für die generelle Bekämpfung der Drogen- und Begleitkriminalität brauchen wir ein stadtweites Konzept, die Legalisierung von Cannabis ist es nicht“, sagte Jendro.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft beruhte vor allem auf der ersten Aussagen von Esmer T. kurz nach der mutmaßlichen Tat. Demnach waren die damals 27-jährige Studentin, Mutter zweier Kinder, und ihr Ehemann Oleg T. am 21. Juni gegen 5 Uhr im Park unterwegs, kauften dort Kokain, wurden intim. Mehrere Dealer sollen das Paar umringt haben. Zwei sollen Oleg T. mit Stöcken traktiert und 1200 Euro aus seiner Bauchtasche gestohlen, andere sich an der Frau vergangen haben.

Von Mountaga D. und Boubacar B. waren Spermaspuren auf dem Slip der Frau gefunden worden. Von mutmaßlichen Haupttäter Osman B., der die Tat bestreitet, wurden Spermaspuren im Körper des Opfers gefunden. Esmer T. hatte rund drei Monate nach der mutmaßlichen Tat die Stadt verlassen und lebt seitdem in ihrer georgischen Heimat. Den Ermittlern teilte sie im Herbst mit, sie sei schwer erkrankt.

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