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© REUTERS/Fabrizio Bensch

Update

Hass und Solidarität auf Berliner Straßen: Erneut pro-palästinensische Versammlung in Neukölln – Hunderte Menschen bei Mahnwache vor Synagoge

Auch am Freitag war Neukölln wieder Schauplatz pro-palästinensischer Solidaritätsbekundungen. Doch weit mehr Menschen trugen ihre Solidarität mit Israel auf die Straße.

| Update:

In Berlin-Neukölln hat es am Freitagnachmittag immer wieder pro-palästinensische Ansammlungen und kleinere Tumulte gegeben. Unterstützer von Palästinensern, vor allem junge Männer, versammelten sich vor Imbissen und Cafés. Einige von ihnen trugen Schals oder Tücher in den Farben der Flagge von Palästina und diskutierten lautstark und erregt mit der Polizei.

Auf der Sonnenallee waren zahlreiche Polizisten mit Helm und viele Mannschaftswagen zu sehen. Hier war es in den vergangenen Tagen immer wieder zu pro-palästinensischen Solidaritätsbekundungen gekommen. Trotz Verbots versammelten sich am Freitagnachmittag zwischenzeitlich bis zu 150 Personen an der Kreuzung zur Reuterstraße, vereinzelt mit palästinensischen Symbolen.

Die Polizei beschlagnahmte mehrere palästinensische Fahnen und baute eine sogenannte „Bearbeitungsstraße“ auf, um die konfiszierten Objekte zu registrieren. Umstehende stimmten immer wieder Parolen wie „Free Palestine“ an, Medienvertreter wurden durch Einzelpersonen an der Arbeit gehindert, ein Mann beschimpfte die Journalisten als „zionistische Presse“. Es sei Pyrotechnik gezündet worden und es habe einen Flaschenwurf gegeben, sagte eine Polizeisprecherin.

Die Polizei baute eine Bearbeitungsstraße auf, um konfiszierte Objekte zu registrieren.

© Tsp/Julius Geiler

„Meine Familie und viele Leute sterben gerade alle in Gaza. Auch durch deutsche Waffen und durch einen nie gewesenen Genozid“, rief ein Mann unter dem lauten Beifall der umstehenden Männer, die „Free, free Palestine“ skandierten. Ein Mann mit einer Kappe, auf der die palästinensische Flagge abgebildet war, protestierte gegen das Verbot von Demonstrationen: „Ich möchte nur mein Recht. Ich will nur Meinung ausdrücken.“

Immer wieder zerstreuten Polizisten die einzelnen Gruppen auf den Bürgersteigen und verboten Ansammlungen. Einige Menschen wurden vorläufig festgenommen. Die Polizei sperrte die Kreuzung im Bereich Sonnenallee und Reuterstraße mit Flatterband ab.

Das pro-palästinensische Netzwerk Samidoun teilte ein Video, auf dem zu sehen war, wie Menschen palästinensische Fahnen schwenken. Nach dem Terrorangriff der palästinensischen Organisation Hamas auf Israel mit vielen Toten am vergangenen Wochenende hatten Vertreter von Samidoun die Attacke gefeiert, indem sie Süßigkeiten auf der Sonnenallee im Stadtteil Neukölln verteilten. Nach Polizeiangaben waren am Freitag bis zu 400 Einsatzkräfte unterwegs, um solche Versammlungen zu unterbinden. Die Behörde hatte verstärkte Präsenz auf den Straßen in den nächsten Tagen besonders in Neukölln, in Wedding und im Regierungsviertel angekündigt.

Wie die Polizei am Freitagabend bekannt gab, wurde auch eine für Samstag geplante Kundgebung auf dem Oranienplatz in Kreuzberg untersagt. Unter dem Thema „Jüdische Berliner*innen gegen Gewalt in Nahost - Gegen den Mord an unseren Mitmenschen in Gaza, jüdische und palästinensische Menschen haben das gleiche Recht zu leben“ waren dort 150 Teilnehmende für eine Versammlung angemeldet. Jede Ersatzveranstaltung bis zum 20. Oktober wurde zudem untersagt.

Hunderte Menschen bei Mahnwache vor Synagoge

Am frühen Nachmittag hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Synagoge am Fraenkelufer in Kreuzberg besucht. „Der heutige Tag ist ein Tag der Angst für Juden weltweit und hier in Deutschland“, sagte er nach einem Gespräch mit Mitgliedern der jüdischen Gemeinde. „Deshalb ist mein Platz heute unter Ihnen.“

Mehrere Hundert Menschen nahmen am Abend an einer Mahnwache vor der Synagoge am Berliner Fraenkelufer teil.

© dpa/Carsten Koall

Für den Donnerstagabend hatte Holger Michel vom Verein „Amcha Deutschland e. V.“ zu einer Mahnwache vor der Synagoge aufgerufen. Dem folgten Beobachtungen des Tagesspiegels zufolge etwa 700 Menschen. Die Polizei sprach von bis zu 500 Teilnehmern. Sie trugen Schilder mit Aufschriften wie „Jewish lives matter“ oder „Never again is now“, legten Blumen und Teelichter vor der Synagoge ab. An der Wand des Gebäudes hingen Bilder der in Israel vermissten Geiseln.

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„Ich bin überwältigt, dass so viele Leute gekommen sind“, erklärte Michel. Er könne sich an Mahnwachen mit nur etwa 40 Teilnehmern erinnern. „Ich hoffe, dass jetzt jeder Gesicht zeigt.“ Ihm gehe es nicht um eine Beurteilung der Politik Israels. Sein Ziel sei es vielmehr, jüdischen Menschen in Deutschland die Unterstützung aus der Bevölkerung zu zeigen. „Sprichwörtlich möchten wir uns vor die Jüdinnen und Juden unserer Nachbarschaft stellen, denn wir dürfen nicht zulassen, dass Jüdinnen und Juden in unserer Stadt Angst haben müssen, wenn sie ihre Synagoge besuchen wollen“, hieß es zuvor in der Ankündigung.

Itai Böing, der zum Gebet in die Synagoge gekommen war, zeigte sich „zutiefst berührt“ von der Unterstützung vor Ort. „Das zeigt uns, dass wir nicht alleine sind“, sagte der 78-Jährige. An die 120 Juden hätten sich am Abend in der Synagoge versammelt, „ungewöhnlich viele“, erklärte der pensionierte Deutschlehrer. Die Geräusche der Mahnwache seien auch innerhalb des Gebäudes zu hören gewesen. „Das hat mir viel Kraft gegeben, diese Zeit durchzustehen“, sagte Böing.

Bischof Christian Stäblein versicherte der jüdischen Gemeinschaft anlässlich des jüdischen Ruhetages Schabbat die Solidarität der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Mit Pröpstin Christina-Maria Bammel wollte er am Abend Synagogengottesdienste besuchen.

Beim Freitagsgebet in der Neuköllner Dar-as-Salam-Moschee rief Imam Mohamed Taha Sabri zur Vernunft auf. Seine Botschaft: „Reduziert eure Emotionen, bleibt bei der Vernunft, auch wenn im Gaza-Streifen Bomben und Raketen explodieren, Menschen sterben, Angehörige in Lebensgefahr sind. Reduziert eure Emotionen, auch wenn ihr Wut, Trauer, Entsetzen und Zorn fühlt.“ Die Moschee liegt in einem Bezirk, „auf den sich im Moment alle Augen richten“, sagte Sabri. „Jeder achtet darauf, wie wir uns verhalten.“ Der Zusammenhalt „als friedfertige Gesellschaft wird bedroht“. (mit dpa)

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