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Brand in der Jagowstraße 15 Staatsschutz politisch 3

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Update

„Hatte das Gefühl, die Polizei nimmt uns nicht ernst“: Bewohner gesteht Bombendrohung gegen Hausprojekt in Berlin-Spandau

Gleich mehrfach wurde das Hausprojekt „Jagow 15“ Opfer von Brandanschlägen. Nun musste sich einer der Bewohner wegen Drohanrufen vor Gericht verantworten.

| Update:

Vor Gericht sagt der Angeklagte Benjamin S.: „Ich konnte damals vor Angst nicht mehr schlafen.“ Im April 2021 hatten Unbekannte zwei Brandanschläge auf das Hausprojekt „Jagow 15“ in Berlin-Spandau verübt. S., damals 18 Jahre alt, war rund einen Monat vorher in das Haus gezogen. „Ich habe das Gefühl gehabt, die Polizei nimmt uns nicht ernst“, sagt er.

Die Bewohner:innen des Hauses hätten die unbekannten Täter im rechten Spektrum verortet: Bereits zuvor wurden mehrfach rechte Symbole an die Hauswände geschmiert. S. war sich sicher: Die Polizei ermittelt nicht ausreichend. Und fasste in der Nacht des 21. April 2021 den Entschluss, die Polizei in die aus seiner Sicht richtige Richtung zu lenken. „Ich hatte auch ein bisschen was konsumiert“, entschuldigt er sich am Dienstag vor Gericht.

Gegen 3 Uhr morgens wählte S. laut Anklageschrift an einer Telefonzelle den Notruf. Mit seinem Handy und einem Übersetzerprogramm erzeugte er eine anonyme Computerstimme, die drohte: „Um 4 Uhr, Jagow 15, wird eine Brandbombe explodieren. Linkes Pack!“ Mit dem darauffolgenden Polizei- und Feuerwehreinsatz habe er nicht gerechnet, sagt S. vor Gericht. Dennoch wiederholte er den gleichen Ablauf zwei Wochen später erneut.

Die Festnahme hatte für einigen Wirbel gesorgt

Am Dienstag musste S. sich wegen des Vorwurfs der Vortäuschung von Straftaten in Tateinheit mit der Störung des öffentlichen Friedens verantworten. S., der als Sanitäter arbeitet, hatte zudem am Rande einer Demonstration der Polizei gegenüber behauptet, mit einem Pflasterstein am Kopf attackiert worden zu sein. Auch dies traf nicht zu. S. gestand alle Vorwürfe gegen ihn ein und entschuldigte sich.

Seine Festnahme hatte im Frühjahr 2021 für einigen Wirbel gesorgt: Die Polizei hatte zunächst auch wegen der Brandstiftungen selbst gegen ihn ermittelt und das Hausprojekt durchsucht. Die „Jagow 15“ ist Teil des „Mietshäuser Syndikats“, einem Verbund aus selbstverwalteten Häusern in ganz Deutschland.

Die übrigen Bewohnenden zeigten sich von den Ermittlungen gegen S. in einer Mitteilung „schockiert“: Sie sprachen von „abstrusen Anschuldigungen“ und „medialen Fehlverdächtigungen“. Rechte Kreise wiederum nutzen die Festnahme für ihre Zwecke und warfen dem Hausprojekt vor, mit den Anschlägen und Drohungen absichtlich „falsche Spuren nach rechts“ legen zu wollen.

Die Richterin sah bei S. am Ende der Verhandlung einen Therapiebedarf und verurteilte ihn, nach dem Jugendstrafrecht, zu einem Kurs in Sozialkompetenz. Zudem muss S. die Kosten des Verfahrens tragen. Wer hinter den Brandanschlägen auf das Haus steckt, ist bis heute nicht geklärt. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte auf Anfrage, dass die Ermittlungen gegen Unbekannt andauern würden.

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