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Forscht über Soldaten. Saira Mohamed ist Professorin an der Berkely University in Oakland und ist zu Gast am Wannsee.

© Annette Hornischer/American Academy

Nur Kanonenfutter?: Die Menschenrechte von Soldaten

In der American Academy erforscht die kalifornische Professorin Saira Mohamed die Opferbereitschaft von Soldaten.

Soldaten als Kanonenfutter? Ein scheinbar selbstverständliches, altes, schon von William Shakespeare verwendetes Bild elektrisiert, seit die Rechtswissenschaftlerin Saira Mohamed, Professorin an der Berkeley-Universität in Kalifornien, es auf die Wirklichkeit bezieht. Derzeit forscht sie als Stipendiatin an der American Academy in Wannsee.

Ihr Vortrag über das Thema zieht führende Rechtswissenschaftler von Berliner Universitäten an, die sich nach dem Dinner zu ihren Ehren Notizen machen und mit der Expertin über die Facetten des Themas diskutieren.

Auch Human Rights Watch hat einen Vertreter geschickt. Über die Wehrpflicht und das Recht im russischen Angriffskrieg hat die Professorin bereits im „Berlin Journal“ der Academy publiziert.

Debatten anzetteln

Es passiere häufiger, dass sie ihr Forschungsthema vorstellt und die Leute sagen, dass sie darüber überhaupt noch nie nachgedachte haben, erzählt sie später. Bewusstsein zu schaffen, den Blick auf den Soldatenberuf zu schärfen, möglichst Debatten anzuzetteln, das ist ihr wichtig.

Dazu wird sie in Berlin noch mehr Gelegenheit haben. Nach dem Stipendium in der American Academy hängt sie noch eine Gastrunde bei der Hertie School dran und zieht vorübergehend in eine Wohnung nach Charlottenburg. Der Ehemann und ihre beiden Kinder im Alter von 7 und 10 Jahren haben sie nach Berlin begleitet.

Ich hatte gute Lehrer.

Saira Mohamed

Nach dem Zweiten Weltkrieg seien Kriegsverbrechen und illegale Aggressionen, die verfolgt werden müssen, benannt worden, damit man sie sanktionieren kann. So sei etwa der Strafbefehl gegen Waldimir Putin möglich geworden.

Aber unter anderem der aktuelle Krieg gegen die Ukraine zeige auch, dass rechtlich noch riesige Lücken klaffen, sagt Saira Mohamed.

Illegalen Befehlen gehorchen

Es geht ihr nicht nur um die Ausbeutung der Soldaten durch Regierungen. Was tut ein Untergebener, wenn er von seinem Vorgesetzten den Befehl bekommt, etwas Illegales zu tun, zu morden, zu foltern?

Im Zivilleben ist es vergleichsweise leicht, „Nein“ zu sagen oder einfach nicht zu gehorchen. Beim Militär, auch in den USA, sei das anders. Wer aber macht sich schuldig, wenn ein Soldat rechtswidrig Zivilisten foltert, nur weil er den Befehl dafür bekommen hat? Für viele dieser Dinge gebe es bis heute keine Sprache im Recht.

Das Todesrisiko im Beruf

Ob Soldaten, die selbst unmenschlich behandelt werden, auch Zivilisten gegenüber besonders grausam seien, ist eine der Frage, die das Publikum am Vortragsabend interessiert.

Wenn es um Menschenrechte geht, stehen in der Regel die Opfer im Mittelpunkt, nicht die Soldaten. Es ist schließlich der Job eines Soldaten, das Todesrisiko zu akzeptieren, die Gefahr, Leid auf sich zu nehmen.

Wehrpflicht und Opferbereitschaft

Überhöhung, weiß Saira Mohamed, dient in dem Zusammenhang oft als Distanzierung, etwa, indem man den Beruf des Soldaten als Berufung darstelle, ähnlich der Berufung zum Priester. Zur demokratischen Verantwortung zählt aus Sicht der Juristin die Thematisierung der Frage, was es eigentlich bedeutet, in den Krieg zu ziehen.

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Monate dauert schon der Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Die Professorin für Internationales und Öffentliches Recht an der FU, Heike Krieger, moderiert die lebhafte Fragerunde am Abend der Präsentation. Es geht auch darum, was eine Regierung ihren Soldaten eigentlich schuldig ist, eine adäquate Ausrüstung etwa oder eine ordentliche Ausbildung. Wie ist im Zusammenhang mit der Erwartung an die Opferbereitschaft von Soldaten die Wehrpflicht einzuschätzen?

Instrumente illegaler Akte

Saira Mohamed hofft, dass die Schrecken des Angriffskrieges gegen die Ukraine letztendlich dazu führen, dass sich der Blick auf die Freiheit von Staaten, Bürger in Instrumente krimineller Akte zu verwandeln, ändern wird.

Schon in der Highschool im kalifornischen Pasadena habe sie sich für Geschichte interessiert: „Ich hatte gute Lehrer.“ Das wurde intensiver während des Studiums in Yale und an der Columbia-Universität.

Untergebenen Verbrechen befehlen

Die Fragen, denen sie nachgeht, seien überall auf der Welt akut, sagt die 45-Jährige. Manipulation von Menschen, Führungskräfte, die ihren Einfluss nutzen, um Untergebene dazu zu bringen, Verbrechen zu begehen, gibt es nach ihrer Beobachtung nicht nur in Unrechtsstaaten. Sie zitiert aus einem Essay des Marine-Veteranen Phil Klay.

Danach ist es ein Akt des Vertrauens, das die Regierung gut mit dem eigenen Leben umgehen wird, wenn man sich für eine Laufbahn beim Militär entscheidet.

Wenn das Buch erscheint, an dem sie am Wannsee arbeitet, werden sicher noch mehr Menschen anfangen, über die Menschenrechte von Soldaten nachzudenken.

Um einen Ausgleich zu schaffen zu dem ernsten Stoff, an dem sie arbeitet, kocht sie gern. Und weil ihre Eltern einst aus Indien in die USA eingewandert sich, erkundigt sie sich schon mal nach den besten indischen Restaurants in Berlin.

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