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Taras Topolia ist Sänger der ukrainischen Band Antytila. Er schloss sich nach der russischen Invasion den Streitkräften an.

© privat | Bearbeitung: Tagesspiegel

Der Sänger, der zum Soldaten wurde: „Ich nahm sein Handy und sah, er hatte eben noch mit seiner Frau telefoniert“

Taras Topolia wurde vom Musiker zum Sanitäter, war mehrmals an der Front – und kann nicht vergessen, wie er an seinem Geburtstag einen getöteten Freund bergen musste.

Von Taras Topolia

Vor einem Jahr weitete Russland seine Invasion in die Ukraine auf das gesamte Land aus. Das Leben der Menschen dort hat sich seit Februar 2022 radikal verändert. Kaum jemand, der nicht von persönlichen Verlusten erzählen kann, vom Sterben und Fliehen, vom Kämpfen und Überleben. Kurz nach Beginn des Überfalls bat der Tagesspiegel Ukrainerinnen und Ukrainer, für das Multimedia-Projekt „Ein Tag im Krieg“ in Echtzeit aus ihrem neuen Alltag zu berichten. Ein Jahr später haben wir sie wieder erreicht. Taras Topolia, der 35-jährige Sänger der bekannten ukrainischen Band Antytila, schloss sich mit seinen Kollegen einer Einheit zur ukrainischen Territorialverteidigung an. Hier ist sein Bericht.


„Die Russen machen in diesem Krieg so viele ukrainische Kinder zu Waisen“

Vor fast einem Jahr sah ich die furchtbaren Verbrechen, die die Russen in Butscha und Irpin begangen haben, mit eigenen Augen. Ich war dort als Sanitäter im Dienst der ukrainischen Armee. Meine Bandkollegen und ich hatten uns kurz nach der russischen Invasion in das gesamte Land freiwillig gemeldet.

Seitdem ist viel passiert, in der Ukraine generell und auch in meinem persönlichen Leben. Wir, also meine Band Antytila und ich, haben zusammen mit Ed Sheeran einen Song über die Hoffnung und den Sieg gemacht. Ich habe in einer Kiewer U-Bahn-Station mit Bono vor der ganzen Welt gesungen. Sie steht meinem Land zur Seite. Das ist der schöne Teil.

Leider haben wir in diesem Jahr viele Freunde und Kameraden verloren. Eine Sache, die mich bis heute verfolgt und es ganz sicher mein ganzes Leben tun wird, ereignete sich im Sommer, an meinem Geburtstag im Juni. Ich war als Sanitäter im Dienst, an der Front, irgendwo in der Nähe von Charkiw.

An dem Ort, zu dem wir gerufen worden waren, sollte ich an diesem Tag einen Freund und Kameraden finden. Er war tot, umgebracht von den russischen Invasoren. Ich nahm sein Handy, das er bei sich hatte, und sah in der Anrufliste, dass er ganz kurz zuvor noch mit seiner Frau telefoniert hatte.

Mein erster Gedanke war, dass er Kinder hat. Wie ich, ich bin Vater von drei Kindern. Mein Hass auf die Russen kochte in diesem Moment hoch. Sie machen in diesem Krieg so viele ukrainische Kinder zu Waisen. Es ist für mich immer noch unglaublich, dass so etwas gerade im Herzen Europas passiert. Wir müssen und wir werden kämpfen. Wir werden für ganz Europa gewinnen. Für unsere gemeinsame Zukunft in Freiheit.

Taras Topolia tritt im März mit seiner Band Antytila in vier deutschen Städten auf: am 9. März in Hamburg, am 10. März in Berlin, am 11. März in Köln und am 12. März in Stuttgart.

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