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Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am 4. Juli 2023 mit seinem taiwanesischen Amtskollegen Ching-Hsiang Tsai in Berlin.

© Twitter/MarcoBuschmann

Ein Berlin-Besuch mit diplomatischer Tragweite: „Chinas Druck auf Taiwan ist immer präsent“

Erstmals haben sich die Justizminister Deutschlands und Taiwans getroffen. Im Interview spricht Ching-Hsiang Tsai über diplomatische Hürden, Pekings langen Arm – und die Todesstrafe.

Herr Tsai, Ihr Treffen mit Marco Buschmann am Dienstag in Berlin war das erste zwischen den Justizministern Deutschlands und Taiwans überhaupt. Eigentlich eine normale Arbeitsvisite – und doch hat so etwas bei Ihrem Land immer eine große diplomatische Tragweite. Wie hoch waren die Hürden?
Es ist in der Tat sehr schwierig für Taiwan, in den direkten persönlichen Austausch mit Ministern zu treten. Deshalb hat es mich sehr gefreut, dass ein Treffen und Fachgespräch mit Herrn Buschmann zustande kommen konnte. Es war eine gute Gelegenheit, unsere bilaterale Zusammenarbeit in Rechtsfragen auszubauen.

Deutschland betrachtet Ihr Land zwar als Wertepartner, unterhält aber keine offiziellen diplomatischen Beziehungen mit Taiwan, weil China das nicht zulässt. Wie kann unter solchen Umständen rechtliche Kooperation funktionieren?
Vergangenen März haben wir ein bilaterales Abkommen zur Rechtshilfe in Strafsachen unterzeichnet. Bei Gefangenentransfers arbeiten wir sogar schon seit 2013 zusammen, damit Häftlinge ihre Strafen in ihrem Heimatland verbüßen können. Seitdem haben wir sieben deutsche Staatsbürger überstellt. Solche Vereinbarungen haben wir zum Beispiel auch mit Polen, der Slowakei, Dänemark oder der Schweiz. Die Tendenz ist klar: Immer mehr Staaten wollen mit Taiwan zusammenarbeiten, weil sie wissen, dass wir eine anerkannte rechtsstaatliche Demokratie sind.

Es kann allerdings auch ganz anders laufen. 2019 lieferte Spanien 94 Taiwanesen aus – nicht nach Taiwan, sondern nach China, also effektiv in ein Drittland.
Chinas Druck auf Taiwan ist immer präsent, in allen Bereichen, egal ob Justiz oder Diplomatie oder Politik. Das Beispiel, das Sie ansprechen, war ein klarer Fall von politischen Erwägungen, die in Justizvorgänge hineinragten. Wir können nur an alle Staaten appellieren, dass rechtliche Zusammenarbeit mit politischen Faktoren nichts zu tun haben darf. Und in Zeiten, da die internationale Kriminalität immer stärker über Staatsgrenzen hinweg agiert, ist es in unser aller Interesse, Informationen austauschen zu können.

Taiwan konnte zuletzt aus der Nähe beobachten, wie China in Hongkong den Rechtsstaat abgeschafft hat. Taiwan ist zwar, anders als Hongkong, kein Teil der Volksrepublik, wird aber ebenfalls akut von Peking bedroht. Wie robust ist Ihr Rechtsstaat im Angesicht einer Supermacht, die nicht an Konzepte wie Gewaltenteilung glaubt?
Taiwan ist ein demokratisches Land und wird es auch bleiben.

Weder Gewalt noch Geldflüsse noch sonstige Beeinflussung dürfen verhindern, dass in Taiwan die Bevölkerung ihre Regierung wählt.

Justizminister Ching-Hsiang Tsai

Im Januar 2024 sind in Taiwan Präsidentschaftswahlen. Sind Sie besorgt über mögliche Wahleinmischung durch China?
Nicht übermäßig. Aber es stimmt, dass wir in dieser Hinsicht sehr aufmerksam sein müssen. In der Vergangenheit haben wir immer wieder Fälle von äußerer Einmischung festgestellt. Weder Gewalt noch Geldflüsse noch sonstige Beeinflussung dürfen verhindern, dass in Taiwan die Bevölkerung ihre Regierung wählt.

Taiwan war lange eine Militärdiktatur, erst 1987 wurde das Kriegsrecht aufgehoben. Was hat Ihr Land aus dieser Willkürerfahrung gelernt?
Dass wir nie wieder zum Kriegsrecht zurückkehren werden. Das ist Vergangenheit. Ich vertraue in unsere Demokratie.

Es gibt allerdings eine Sache, die nicht zum Image der progressiven Demokratie Taiwan passt: Ihr Land hat noch immer die Todesstrafe. Wann schaffen Sie sie ab?
Wir wissen, dass der globale Trend gegen die Todesstrafe geht und immer mehr Länder von ihr absehen. Daraus ziehen wir natürlich Lektionen, auch wir haben seit drei Jahren kein Todesurteil mehr vollstreckt. Aber eine solche Abschaffung geht nicht von jetzt auf gleich. Rund 80 Prozent unserer Bevölkerung sind für die Beibehaltung. Wir werden weiter daran arbeiten, den Menschen zu erklären, dass die Abwesenheit der Todesstrafe auch bei schweren Verbrechen nicht bedeutet, dass keine Gerechtigkeit herrscht. Es gibt Alternativen.

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