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Menschenmassen an Lieblingsorten: Ein Samstagnachmittagsszene rings um die Barcaccia, Pietro Berninis Brunnen vor der Spanischen Treppe in Rom

© imago/Pacific Press Agency / IMAGO/Patrizia Cortellessa

Italiens Kulturminister: Ein Scharfmacher wird bescheiden

Gennaro Sangiuliano will Italiens riesiges Kulturerbe vor allem bewahren. Sein Programm ist pragmatisch und verspricht Kontinuität.

Ein Kommentar von Andrea Dernbach

Mit großer Geste und Donnerworten hat Italiens neuer Kulturminister Gennaro Sangiuliano vor gut zwei Monaten die Szene betreten: Er sagte „politischer Korrektheit“ den Kampf an und hielt Eike Schmidt, dem renommierten Direktor der Uffizien, eine autoritär formulierte Standpauke („Es wird Ihrer Intelligenz nicht entgangen sein, dass...“), weil Florenz’ Kulturtempel am Brückenmontag vor Allerheiligen aus Personalmangel geschlossen blieb.

Eine Woche vor der Saisoneröffnung der Mailänder Scala, dem glanzvollen Familientreffen nicht nur der italienischen Kultur, wechselte Sangiuliano den Ton hörbar.

Sein Programm, das er anderthalb Stunden lang in den Kulturausschüssen der beiden Parlamentskammern vortrug, ist von geradezu atemberaubendem Pragmatismus.

Mehr Geld fürs Digitale, mehr Orte für die Kunst

Der Minister will mehr Geld und Tempo für die schleppende Digitalisierung, die nicht nur Italiens öffentliche Verwaltung lähmt, sondern auch seine Kultureinrichtungen Er will das riesige Kulturerbe des Landes besser gegen Umweltschäden und Verfall schützen.

Und Italiens Schätze, von denen, so Sangiuliano, 90 Prozent unsichtbar in den Depots lagern, sollen besser zugänglich werden - für die eigenen Landsleute wie für den Tourismus aus aller Welt, der nach zwei Jahren Pandemiepause mit noch größerem Appetit auf Barock, Renaissance und antike Altertümer nach Italien zurückströmt.

Alles, was Sangiuliano als „Programmlinien“ verkündet hat, könnte sein sozialdemokratischer Vorgänger genauso gesagt haben - ja vielleicht sogar eine Kulturministerin von deutlich weiter links.

Kultur wird künftig nicht nur materiell sein, sondern auch digital.

Gennaro Sangiuliano, neuer Kulturminister Italiens

Die einzige Idee, die sich im engeren Sinne als politisch lesen lässt, ist Fortsetzung dessen, was unter Premier Matteo Renzi, damals ebenfalls ein Sozialdemokrat, 2014 begonnen wurde: Die Reform der öffentlichen Kulturfinanzierung.

Der rechteste Kulturminister seit Ende des Minculpop

Sangiuliano ist der erste Kulturminister von weit rechts, seit das „Ministerium für Volkskultur“ mit dem Faschismus unterging. Ein zweites „Minculpop“, damals für Kultur und Parteipropaganda zuständig, scheint der Mann mit der keineswegs gemäßigten rechten Vergangenheit, nicht wiedereröffnen zu wollen.

Gut so - und besser noch, sollte er auch nur einen Teil seines Programms schaffen. Eher als dem kulturellen Erbe aus Kunstschätzen und historischen Resten droht Italiens politischer Kultur Gefahr.

Am Anfang stand ein Verbot von Rave-Partys, das sich so demokratisch las wie das eines Polizeistaats. Jetzt ist der erste Haushalt von Regierungschefin Meloni vor allem dazu geeignet, Steuerkriminelle glücklich zu machen. Kulturpolitik hat in ihrer Regierung viele Orte. Zu viele.

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