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Eine Delegation des Bundestags besuchte im Osktober Taiwan.

© Foto: dpa (Bundestagsdelegation am 2.10. in Taiwan)

Hochrangige Besuche in Taipeh und Berlin: Ändert die Bundesregierung ihre Taiwan-Politik?

Unter dem Eindruck von Chinas Drohungen und dem Konflikt um die Reise der US-Parlamentspräsidentin Pelosi suchen einige Länder engere Kontakte zur demokratischen Insel. Eine Analyse.

| Update:

Die Intensität der deutsch-taiwanesischen Regierungskontakte in diesen Tagen fällt ins Auge. Franziska Brantner, Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, besuchte den demokratischen Inselstaat von Dienstag bis Mittwoch als erste Vertreterin der Ampelregierung.

Bei ihren zweitägigen Aufenthalt standen ein Besuch des für europäische Konzerne wichtigen Halbleiter-Giganten TSMC sowie Treffen mit Regierungsvertretern auf dem Programm, darunter Vizeaußenminister Alexander Tah-ray Yui.

In Berlin will Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger Mitte der Woche ihren taiwanesischen Kollegen Wu Tsung-Tsong empfangen.

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In den vergangenen Jahren hatte Deutschland Treffen mit Repräsentanten Taiwans auf Ministerebene vermieden und sich auf die Ein-China-Politik berufen. Laut der sind die Volksrepublik und Taiwan keine voneinander unabhängigen Staaten. Es war aber wohl auch Rücksicht auf Peking im Spiel, das Taiwan nicht als souverän anerkennt und einen Alleinvertretungsanspruch reklamiert.

Ändert sich der deutsche Umgang mit Taiwan gerade? Brantners Besuch fällt in eine Dynamik wachsender Skepsis gegenüber einem immer autoritärer und imperialer auftretenden China. Auch andere Länder intensivieren seit dem Konflikt um den Taiwan-Besuch der Madam Speaker des US-Kongresses, Nancy Pelosi, im Sommer ihre Kontakte zu der Insel.

Michael Gahler, CDU-Europaabgeordneter und Vorsitzender der Taiwan-Freundschaftsgruppe des Europäischen Parlaments.

© Foto: Europäische Union 2019/EU (CC)

„Da tut sich was“, sagt Michael Gahler (CDU), Europaabgeordneter und Vorsitzender der Taiwan-Freundschaftsgruppe im Europäischen Parlament. „Deutschland verabschiedet sich nicht von der Ein-China-Politik, sondern reizt deren Möglichkeiten stärker aus.“

In der Verstärkung der Kontakte sieht Gahler „die zivile Reaktion auf Chinas Drohgebärden. Wir verstärken den Besucherverkehr und den wirtschaftlichen Austausch.“ Er wünscht sich, dass Taiwan einen Teil der Halbleiterproduktion nach Europa verlagert. „Dann kann man im Fall eines Falls die Produktion hier bei uns hochfahren.“

Drei Mal so viele Besuche wie im Vorjahr

Nach Zählung des Portals „Chinaobserver“ gab es 2022 bereits 15 Besuche hochrangiger Politiker aus Europa in Taiwan. 2021 waren es fünf, 2020 nur einer. Allerdings könnte das teilweise auch mit der Pandemie als Reisehindernis zu tun haben. In den Vor-Corona-Jahren zählte das Portal sieben solche Besuche 2019 und 27 2018.

Brantners Taiwan-Reise ist protokollarisch nicht ungewöhnlich. Von 2015 bis 2019 besuchte jedes Jahr ein Parlamentarischer Staatssekretär aus Deutschland Taiwan, auch aus dem Wirtschaftsministerium. In den 90er Jahren gab es mit Jürgen Möllemann (1992) und Günter Rexrodt (1994 und 1997) sogar drei Besuche auf Ministerebene aus dem Ressort.

„Die deutsch-taiwanesischen Beziehungen bewegen sich gerade aufwärts“, sagt Marcin Jerzewski. Er leitet das Taiwan-Büro des Thinktanks European Values Center for Security Policy. Das sei aber ein schleppender Prozess. „Lange waren Firmeninteressen für Deutschlands China- und Taiwan-Politik wichtiger. Das hat Berlins Fähigkeit eingeschränkt, Chinas negativen Einfluss und die politischen Risiken zu erkennen.“

Franziska Brantner (Grüne), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium.

© Foto: Imago Images/Photothek/Thomas Trutschel

Der Besuch Brantners in Taiwan ist auch ein Gegengewicht zur China-Reise des Bundeskanzlers Olaf Scholz Anfang November. Der Kanzler wurde kritisiert, weil er eine Wirtschaftsdelegation mit nach Peking nahm, während Deutschland über die Risiken einer hohen Abhängigkeit von China am Beispiel des Hamburger Hafens stritt. „Mit Brantners Besuch so kurz nach Scholz’ Peking-Reise signalisiert die Ampel, dass Deutschland weiter mit dem demokratischen Taiwan zusammenarbeiten wird“, sagt Jerzewski.

Taiwan hat nie zur Volksrepublik gehört. Dennoch erhebt Peking den Anspruch, Taiwan mit dem Festland zu vereinigen – unter Herrschaft der dortigen Staatspartei. Partei- und Staatschef Xi Jinping behält sich eine gewaltsame Eroberung Taiwans ausdrücklich vor. Im August hatte China große Militärmanöver rund um die Insel veranstaltet und erstmals Raketen über Taiwan geschossen.

Taiwan-Kontakte als Gegengewicht zum Besuch des Bundeskanzlers Olaf Scholz in China Anfang des Monats, hier mit Partei- und Staatschef Xi Jinping.

© AFP/Kay Nietfeld/Pool

„Wir wollen die Beziehung zu Deutschland ausbauen“, sagte Taiwans Vize-Wirtschaftsminister Chern-Chyi Chen dem Tagesspiegel bei einem Treffen mit Journalisten am Dienstag in Taipeh. „Taiwan und Deutschland sind beide produktionsorientiert, unsere wirtschaftlichen Strukturen sind sehr ähnlich.“ Wie Deutschland habe Taiwan viele „hidden champions“: wenig bekannte Firmen, die eine wichtige Rollen im Weltmarkt spielen.

Für Taiwan sei die Zusammenarbeit in der Warenfertigung besonders wichtig, etwa im Maschinenbau, der Chemieindustrie, der Elektronik-Branche und bei erneuerbaren Energien. „Wenn wir unser Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreichen wollen, brauchen wir einen technologischen Durchbruch. Wir setzen große Hoffnungen auf deutsche Technologie“, sagte Chen.

Brantners Reise wurde von beiden Seiten eher dezent kommuniziert, erst hinterher veröffentlichte das Bundeswirtschaftsministerium eine Pressemitteilung: „Taiwan ist einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands in Asien und wichtiger Partner für die Diversifizierung der deutschen Wirtschaft“, heißt es darin. Auf konkrete Gesprächspartner der Grünen-Politikerin ging das Statement nicht ein, nur auf „verschiedene taiwanische Partner, deutsche und europäische Institutionen sowie Vertreter in Taiwan aktiver deutscher Firmen“.

Taiwan ist führend bei High-Tech-Chips

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger will umgekehrt Mitte dieser Woche ihren taiwanesischen Amtskollegen Wu Tsung-Tsong in Berlin empfangen. Es soll um Halbleiter gehen, aber auch um Batterieforschung, Künstliche Intelligenz und grünen Wasserstoff. Das Treffen sei „auch ein Bekenntnis zu Freiheit, Demokratie und Menschenrechten“, betont das FDP-geführte Ministerium.

Taiwan produziert rund 60 Prozent der Mikrochips weltweit. Bei den modernsten Chips sind es mehr als 90 Prozent. Der Konzern TSMC ist Weltmarktführer. Nicht nur für Deutschland ist Taiwan angesichts fragiler globaler Lieferketten deshalb unabdingbar.

Auch wegen Chinas Kriegsdrohungen gegen Taiwan wollen die EU und die USA in der Halbleiterbranche eigenständiger werden. TSMC erwägt offenbar, eine Fabrik in Europa zu eröffnen. Im Sommer hat das Unternehmen mit dem Bau eines Werks in Arizona begonnen.

Teile der Recherche fielen in eine Journalistenreise auf Einladung von Taiwans Außenministerium.

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