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In vielen Schulen sitzen Betroffene von Missbrauch.

© dpa/Fabian Sommer

Sexueller Missbrauch: Experten fordern mehr Engagement von Schulen

Politik und Schulen zögern, vergangene Missbrauchsfälle aufzuklären. Das kritisiert die Unabhängige Kommission zur Aufklärung sexuellen Kindesmissbrauchs, die Familienministerium eingesetzt wurde.

Lehrer und Eltern sind sensibilisierter beim Thema sexueller Missbrauch, es existieren Schutzkonzepte für Schüler, trotzdem gibt es beim Kampf gegen Missbrauch an Schulen noch viele Defizite. Das ist zumindest die Einschätzung der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs.

„Bei der Kultusministerkonferenz geht der Blick in die Zukunft, da geht es um aktuelle Schutzkonzepte, aber der Blick zurück fehlt“, sagte Kommissionsmitglied Barbara Kavemann am Dienstag, als sie die Bilanz ihrer Arbeit in den vergangenen vier Jahren vorstellte.

Die Kommission fordert mehr Aufklärungswillen von Schulen

Kavemann vermisst die konkrete Aufklärung von Schulen, bei der Frage, ob es bei ihr Missbrauchsfälle gegeben habe oder Betroffene in dieser Schule waren. „Wir bedauern sehr, dass bislang in diesem Bereich noch keine Aktivitäten von Verantwortlichen erkennbar sind“, sagte Kavemann. „Die Bildungsverwaltungen der Länder könnten hier staatliche Vorbildfunktion übernehmen.“

1872
So viele Betroffene hat die Missbrauchs-Kommision angehört

Die Kommission untersucht seit 2016 sexualisierte Gewalt in der Bundesrepublik und in der DDR seit 1949. In der Zeit von 2019 bis 2023 hatten die ehrenamtlichen Experten insgesamt 1872 Opfer angehört und 732 Berichte von Betroffenen sexualisierte Gewalt erhalten. Es war der Tätigkeitsbericht in der zweiten Laufzeit der Kommission.

In 75 Prozent der gemeldeten Fälle fand der Missbrauch in der Familie statt

In 75 Prozent der Fälle hatte der Missbrauch in der Familie stattgefunden. Havemann forderte deshalb eine größere Sensibilisierung der Allgemeinheit für diesen Bereich. „Die Gesellschaft muss Hemmungen überwinden und mehr Einblick in diesen Lebensbereich nehmen, um Missbrauch verhindern zu können“, sagte sie. „Das Familienbild darf nicht weiter verklärt werden.“ Wie dieser verstärkte Einblick stattfinden soll, hatte sie allerdings nicht gesagt.

Experten beklagen Angst vor Fragen nach Schuld und Verantwortung

Auch Stephan Rixen, wie Kavemann Mitglied der siebenköpfigen Kommission, beklagte die Zurückhaltung staatlicher Stellen bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen. „Deren Bereitschaft zur Aufklärung ist überschaubar, weil man ansonsten ganz schnell zu unangenehmen Fragen käme.“ Da gehe es dann um die Frage nach der Schuld und der Verantwortung. „Keine Scheu vor Selbstkritik“, forderte er. „Nur wenn die stattfindet, wird sich auch die Gesellschaft wandeln.“

Dass Gesellschaft und Institutionen trotz aller Berichte über Missbrauch in den vergangenen Jahren noch immer zurückhaltend reagiert bei dem Thema, stellte Rixen auch fest. „Wir als Kommission sind der Störfaktor“, sagte er, „weil wir dafür sorgen, dass die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der Öffentlichkeit präsent bleibt. Aber es gibt immer noch Abwehrverhalten und Widerstände.“

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