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Ken und Barbie (Ryan Gosling und Margot Robbie) auf dem Weg in die Realität. Zumindest im Film.

© dpa/-

„Der Erbonkel“: Die Mutante Ken und Barbie

Es gibt ein Gen bei Fruchtfliegen, das heißt „Ken and Barbie“. Das hat mit einer Beschaffenheit der Plastikpuppen unterhalb ihrer Gürtellinie zu tun.  

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Nun sind Barbie und ihr (selbstverständlich platonischer) Liebhaber Ken also in der Realität gelandet. Jedenfalls im Film, der diese Woche gestartet ist. Was ja insbesondere bei Hollywood-Inszenierungen streng genommen nicht wirklich die Realität ist, aber so geht der Plot. Es ist kompliziert.

Ganz unkompliziert hingegen ist es, dass Ken und Barbie schon seit einigen Jahren ganz realer Teil der mitunter ein wenig realitätsfernen Forschungswelt sind, genau genommen der Genforschung.

Das hätte man von den Kult-Figürchen vielleicht nicht erwartet. Aber die Plastikpüppchen haben eine Eigenschaft, die bestimmten Fruchtfliegen-Mutanten gleicht: Sie entwickeln keine äußeren Geschlechtsorgane.

Der Anlass ist durchaus ernst. Diego Castrillion von der Universität Texas in Dallas und Steven Wasserman von der Rockefeller Universität in New York und ihr Team waren 1993 auf der Suche nach Mutationen, die die Entwicklung von Spermien stört: um zu verstehen, wie die Entwicklung der Samenzellen bei Fliegen und letztlich auch Menschen funktioniert oder warum sie mitunter hakt. Doch es wird ein fröhlicher Moment im Labor gewesen sein, als jemand auf die Idee kam, das frisch entdeckte Gen, dessen Defekt die Entwicklung sowohl der weiblichen als auch der männlichen Geschlechtsorgane am Hinterteil der Fliegen unterbindet, ken and barbie zu nennen.

Bruchpiloten und Schweizer Käse

Unter Drosophila-Genetikern ist es Tradition seit rund 120 Jahren, Gene nach dem auffälligsten Merkmal zu benennen, das durch ihre Mutation zustande kommt. Etwa die kurzen Beine der Fliegen, die durch einen Defekt im Gen dachshund (Dackel) entstehen. Fliegen mit Mutation im Tinman-Gen fehlt das Herz, ganz wie dem Tinman aus „Wizard of Oz“. Das Hirn von swiss-cheese-Mutanten ist Alzheimer-ähnlich durchlöchert. Und welches Problem Fliegen haben, deren Gen Bruchpilot mutiert ist, erschließt sich von selbst. Den kleinen Spaß inmitten all der ernsthaften Forschung haben auch Genetiker übernommen, die an anderen Modellorganismen arbeiten: Ein Defekt im Dracula-Gen macht Zebrafische so empfindlich für Licht, dass sie sterben.

Das Ken und Barbie-Gen ist jedoch komplizierter, trotz der Einfachheit seiner namensgebenden Skulpturen. Wenn Sie genau hinschauen, werden Sie sehen: Die Mutation führt manchmal auch zu gedrehten oder auch verdoppelten Geschlechtsorganen. Da endet dann die Ähnlichkeit mit Ken und Barbie. Denk’ ich mal.

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

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