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© Lisa Rock für den Tagesspiegel

„Der Erbonkel“: Eine Mutation macht empfänglicher für Long-Covid

Der eine bekommt’s, die andere nicht. Warum nur bestimmte Menschen Monate und Jahre an den Folgen einer Coronainfektion leiden, ist unklar. Aber jetzt gibt es einen ersten Hinweis.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Vier Mal hatte sich die Freundin der Familie mit Sars-Cov-2 infiziert. Ihre Covid-19-Erkrankungen waren nicht schön, aber sie verschwanden nach ein, zwei Wochen. Andere Freunde hatten weniger Glück. Die Covid-19-Symptome gingen zwar großteils zurück, aber Schwindel, Erschöpfung, Atemnot blieben über Monate und neue Beschwerden kamen hinzu: Long-Covid, eine Folge der Coronainfektion, die etwa zehn Prozent der Erkrankten entwickeln. Und sie fragen zurecht: Warum ich?

6500 Genome von Long-Covid-Patienten aus 16 Ländern untersuchte ein internationales Forschungsteam, um sie zu beantworten. Teilweise zumindest. Offenbar erhöht die Beschaffenheit einer bestimmten Stelle im Erbgut die Wahrscheinlichkeit, nach einer Coronainfektion Long-Covid zu entwickeln, 1,6-fach. Sie liegt nahe dem Gen FOXP4, das schon in anderen Studien in den Verdacht geraten war, die Schwere einer Covid-19-Infektion und die Lungenfunktion zu beeinflussen.

Patienten oder Ärzten bringt das erst einmal nichts. Ein Gentest bei jedem Covid-Patienten wäre, angesichts der nur moderat erhöhten absoluten Wahrscheinlichkeit, Long-Covid zu entwickeln, zu aufwändig. Aber für die Forschung nach den Ursachen einer Long-Covid-Erkrankung könnte FoxP4 ein wichtiger Anhaltspunkt sein.

Wie gerät das Immunsystem aus dem Ruder, wie entsteht der Erschöpfungszustand? Die entdeckte Gensequenz ist eine von mehreren Hinweisen im Erbgut, denen die Covid-Forscher folgen können, um der Ursache von Long-Covid und vielleicht sogar rätselhaften Langzeitwirkungen anderer Viruserkrankungen, etwa Multiple Sklerose, auf die Spur zu kommen.

Auffällig ist, dass es bislang keine Mutation im Erbgut zu geben scheint, die eine Infektion mit dem Coronavirus komplett verhindern könnte, so wie etwa die Delta-32-Mutation im CCR-5-Gen immun gegen den Aids-Erreger HIV macht. Zwar reduziert die Corona-Impfung die Wahrscheinlichkeit einer schweren Covid-19- und auch einer Long-Covid-Erkrankung erheblich. Aber gänzlich sicher kann sich bislang niemand vor einer Coronainfektion und ihren kurz- oder langfristigen Folgen wähnen.

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

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