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Gentechnisch mit grünem Rhodopsin ausgestattete Hefezellen, die sich auch von Licht ernähren können.

© Anthony Burnetti, Georgia Institute of Technology

„Der Erbonkel“: Eine Portion Licht zum Frühstück?

Hefe, wie sie für Bier oder Brot gebraucht wird, ist eher lichtscheu. Jetzt ist sie umgebaut worden und die Zellen können die Energie des Lichts nutzen. Ginge das nicht auch beim Menschen?

Eine Kolumne von Sascha Karberg

„Jemand müsste allmählich mal das Abendessen kochen.“ Strategisch vorsichtig formuliert lässt der Satz offen, wer in der Familie gemeint ist und sich, ob nun aus schlechtem Gewissen oder aufopferungsvollem Verantwortungsbewusstsein heraus, auf den Weg in die Küche machen sollte. Tag für Tag stiehlt die Notwendigkeit der Energiezufuhr Zeit, zwingt zu einem Mindestmaß an Kochfähigkeiten und Rezeptkreativität und zum Einkaufen in überfüllten Supermärkten. Könnte der Mensch nicht wenigstens ein wenig Pflanze sein? Einfach nur in der Sonne herumstehen, um seinen Hunger zu stillen?

So völlig absurd klingt das seit Freitag nicht mehr. Da haben Forschende des Georgia Institute of Technology darüber berichtet, die eher lichtscheue Bäcker-Hefe Saccharomyces cerevisiae mit einem einzigen Gen so verändert zu haben, dass sie jetzt (auch) von Licht leben kann. Dafür setzten sie ein Rhodopsin-Gen, das bei einigen Bakterien, Pilzen, Pflanzen und Tieren vorkommt, ins Erbgut der Hefe ein. Grünes Rhodopsin kann die Energie des Lichts nutzen, um etwa Ionen aus einer Bakterien- oder tierischen Zelle herauszupumpen. Das Ionengefälle wird dann, ähnlich einem Wasserkraftwerk, ausgenutzt, um die Zelle mit Energie zu versorgen.

Zwar nicht viel, aber immerhin: Die Hefezellen mit Rhodopsin-Gen wuchsen zwei Prozent schneller als die unveränderten. Ob das auch beim Menschen funktionieren und das eine oder andere Abendessen ersetzen könnte, dazu verlieren Anthony Burnetti und sein Team kein Wort. Denn selbst wenn man den Versuch wagte und die Hautzellen des Menschen per Gentransfer mit Massen von Rhodopsinen ausstatten würde, käme wohl nicht genug Energie zusammen, um – optimal klimaschützend – nur noch von Sonne, Luft und Wasser leben zu können. Schon wenige Zellschichten tiefer wäre es zu dunkel, um noch Licht fressen zu können. Der Mensch müsste blattartig dünn sein und dürfte nur herumliegen.

Die ersten Tiere, die Licht als Energiequelle zu nutzen versuchen, wären Menschen ohnehin nicht. Die Schnecke Elysia timida, die wie ein winziges grünes Blatt aussieht, frisst dafür Algen, klaut ihnen ihre Photosynthese-Organe, die Chloroplasten. Auch Riesenmuscheln, Schwämme, Korallen, Anemonen, Plattwürmer, Seescheiden und Fleckensalamander beherbergen Grün- oder Blaualgen, um in den Genuss ihrer lichtabhängigen Zucker- oder Sauerstoffproduktion zu kommen. Für größere Tiere, zumal Säugetiere, scheint sich das Lichtfressen jedoch nicht zu lohnen.

„Was ist denn nun mit dem Abendessen?“ Ich gehe ja schon. Man wird ja mal träumen dürfen.

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

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