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Tonio Sebastian Richter, Professor für Ägyptologie mit Schwerpunkt Koptologie an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und an der Freien Universität Berlin.

© Katrin John/FU Berlin / Katrin John/FU Berlin

Prof im Profil: Tonio Sebastian Richter: Gut vernetzt im Kleinen Fach

Der Ägyptologe Tonio Sebastian Richter hat eine von bundesweit nur drei Professuren für Koptologie inne – an der Freien Universität Berlin.

Eine Kolumne von Amory Burchard

Ich hatte von Kindheit an Interesse an Ägypten“, sagt Tonio Sebastian Richter. Wollte er in den Pyramiden Grabkammern erkunden und Hieroglyphen entziffern? „Keineswegs“, kontert Richter: „Ich wollte ganz grundsätzlich wissen, wie das Entstehen von Geschichte, wie Gegenwart und Vergangenheit zusammenhängen.“

Aus diesem Leipziger Jungen, den diese Gedanken schon mit acht durch die Antikensammlungen der Berliner Museuminsel trugen, konnte nur ein Wissenschaftler werden. Nach dem Abitur wählte er zunächst die Evangelische Theologie, „um alte Sprachen, Geschichte und Literatur ohne die DDR-typische ideologische Verbrämung zu studieren“. Bald mit dem Ziel, Alttestamentler zu werden und sich das alte Israel auch über die benachbarten babylonischen, assyrischen und ägyptischen Großmächte zu erschließen.

Da war es zum Koptischen, dem seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. mit griechischen Buchstaben geschriebenen Altägyptisch, das die Hieroglyphen ablöste, nicht mehr weit. Schon im Diplom wandte sich Richter zudem von der Theologie ab und mit einer Arbeit über judäische Münzen der Wirtschafts- und Sozialgeschichte zu. Ein Leipziger Magisterstudium der Ägyptologie verband er mit koptischen Studien in Halle, es folgte die Promotion über die Sprache koptischer Rechtsurkunden und eine Habilitation über Pachtverträge im Ägypten der Antike.

Eine in Koptisch verfasste Handschrift aus einem Traktat über das „Geheimnis der Buchstaben“, datiert 1393 n.Chr.

© Alberto Winterberg

In der Qualifikationszeit blieb der junge Koptologe seiner ostdeutschen Heimat und seinem Fach treu, wohl wissend, dass die wenigen Professuren noch auf Jahrzehnte nicht für ihn frei werden würden. Umgetrieben habe ihn aber immer nur das brennende Interesse und die vielen Forschungslücken, sagt Richter. „Hinsichtlich prekärer Berufsaussichten war ich naiv und arbeitete von Stelle zu Stelle weiter.“ Nach der Habil half ein Heisenberg-Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft weiter.

Berlin, Hauptstadt der Antikenforschung

Bis ein wissenschaftspolitisches Wunder geschah und Berlin im Exzellenzwettbewerb seine Alleinstellung als Zentrum der Altertumsforschung entdeckte. Museen, Archäologien, Forschungsstellen und Professuren an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) und an den Unis und bald das Antiken-Cluster „Topoi“ von FU und HU wurden gebündelt und auch vom Land großzügig gefördert. Nur die Koptologie fehlte noch, eine Lücke, in die Tonio Sebastian Richter 2015 als Akademie-Professor an der BBAW und Ägyptologe an der Freien Universität springen konnte.

Wird es ihm einsam in seinem „Kleinen Fach“, in dem er sich mit lediglich zwei – inzwischen auch neu besetzten – weiteren Schwerpunkt-Professuren in Göttingen und Münster austauschen könnte? „Kein bisschen“, sagt Richter und berichtet von seinen Groß- und Langzeitprojekten an der BBAW, ein digitales Wörterbuch der griechischen Lehnwörter im Koptischen und eine Wortschatzsammlung des Altägyptischen. So kann er auch seinen Doktorand:innen und hoffnungsvollen studentischen Hilfskräften erste Perspektiven bieten.

Und wenn es noch immer nicht die Pyramiden sind, derentwegen Richter nach Ägypten reist, so wird er doch zu spektakulären Funden früher koptischer Kirchen gerufen, um Inschriften auf den Wänden zu entziffern. Oder zu Papyri und Manuskripten, für die das Land noch immer eine wahre Schatztruhe ist.

Zuletzt war Richter aber in Berlin auf Entdeckungsreise – gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy von der TU Berlin: Für die große Ausstellung über das „Abenteuer am Nil. Preußen und die Ägyptologie“ (bis 7. März im Neuen Museum) haben sie das Archiv des Expeditionsleiters Karl Richard Lepsius an der BBAW digital erschlossen.

Im interdisziplinären Diskurs, in der Kultur-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des antiken wie neuzeitlichen Ägyptens oder etwa in der Forschung zu christlichen Minderheiten sei die Koptologie heute eine feste Größe, sagt Richter. Man entdecke quer durch die Fächer und Epochen immer wieder neue Bezüge.

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