zum Hauptinhalt
Kleine und große Freuden: Eva Götze, beim ASB zuständig für den Wünschewagen. 

© Frank Bachner

Tagesspiegel-Spendenaktion: Wie Sie helfen können, anderen ihren letzten Wunsch zu erfüllen

Der Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bunds Brandenburg lässt die Träume von Todkranken wahr werden. Mit der Tagesspiegel-Spendenaktion wird auch für dieses Projekt Geld gesammelt.

Die Geigenklänge von Starmusiker David Garrett, mal sanft, mal wild, dröhnten durch den Transporter. Natürlich Garrett, zur Einstimmung, Lina Berthold (Name geändert) war ja auf dem Weg zu seinem Konzert in Berlin. Im Hinterkopf hatte sie einen Gedanken, der wohl bloß ein Traum bleiben würde: Sie wollte den Geiger persönlich treffen. Sie hatte doch keine Zeit mehr.

Lina Berthold war todkrank.

Ein Garrett-Konzert, das war ihr letzter großer Wunsch, deshalb saß sie ja auch im Transporter des Projekt Wünschewagen vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Brandenburg. Drei Helfer saßen auch dabei, sie ermöglichten Lina Berthold diese letzte Freude. Und während Garrett spielte, wurde Lina Berthold immer aufgedrehter. „Sie war kaum wiederzuerkennen“, sagte ein Helfer.

Aber das war ja noch gar nichts gegen das Konzert. Lina Berthold, klatschte, jubelte, feierte jeden Song. Und als die Melodie von John Lennons „Imagine“ direkt in die Herzen aller Fans floss, da sahen ergriffene Helfer, dass Lina Berthold noch zu einer Steigerung fähig war: Die todkranke Frau mühte sich aus ihrem Rollstuhl, den sonst nie verließ. Dann umarmte sie einen Helfer und deutete ein Tänzchen an.

Ein Erinnerungsfoto mit Stargeiger David Garrett

Das emotionale Highlight? Ja, bis zu dem Moment, an dem die Helfer auf einen Sicherheitsmitarbeiter stießen. Er bewachte den Backstagebereich. Wäre denn, vielleicht, ein Gespräch mit dem Star...? Der Security-Mann verschwand und fragte nach. Plötzlich öffnete sich die Tür, David Garrett stand vor Lina Berthold. Seine Mutter war auch bei dem Konzert, sie kannte den Wünschewagen, gut möglich, dass sie ihren Sohn ermunterte.

Lina Berthold im Gespräch mit dem Stargeiger, der neben ihr kniete. Erinnerungsfoto inklusive. Ein Traum wurde wahr. Und das Team des Wünschewagens spürte mal wieder Glücksgefühle. Todkranken Menschen nach Möglichkeit ihre letzten Wünsche zu erfüllen, das ist die Aufgabe der ASB-Helfer. „Wir können die Diagnose nicht ändern, aber wir können Lebensqualität schenken“, sagt Fanni Brinkmann, die Pressesprecherin des ASB-Landesverbands Brandenburg.

Am Lebensende traf die todkranke Lina Berthold ihren Star David Garrett..

© ASB

Sogar drei Notfallseelsorger stehen bereit. „Helfer können sie anrufen, wenn es auf einer Fahrt mal eine kritische Situation mit dem Gast gibt“, sagt Eva Götze, die ASB-Referentin für den Wünschewagen.

Kritischer Zustand, der Befund gehört zum Alltag des Wünschewagens. „Ein Drittel aller Fahrten werden wieder abgesagt, weil der Zustand des Gasts keine Fahrt möglich macht“, sagt Eva Götze.

Findet die Fahrt statt, dann sind das pure Glücksgefühle. Der Wünschwagen hat einen Patienten, der unbedingt mal Bayern München sehen möchte, zu einem Spiel der Münchner im Berliner Olympiastadion gegen Hertha begleitet. Eine Frau Mitte 50 wollte nochmal in 120 Meter Höhe mit einer Rutsche über die Rappbodetalsperre im Harz schweben, ein Adrenalinrausch auf einer 950-Meter-Strecke. Ein anderer Mann wollte mit seinem Enkel nochmal Tiere sehen. Der Wünschewagen brachte beide in den Zoo Eberswalde.

Innerhalb einer Woche Hochzeit organisiert

Ein todkranker Mann und seine Partnerin, Eltern von drei Kindern, erzählten im Vorgespräch, dass sie noch heiraten wollten, bevor die Frau Witwe sein würde. Ihr Wunsch war eigentlich nochmal ein gemeinsames Erlebnis mit den Kindern. Doch das Wort Hochzeit elektrisierte das Wünschwagen-Team. Innerhalb einer Woche organisierte es die Hochzeitsfeier und einen Termin beim Standesamt. Ein extremer Kraftaufwand für diverse Helfer. Aber auch eine Ausnahme.

Oft geht es darum, nochmal ein Musical zu sehen oder eine andere Veranstaltung. Oft soll auch nur der Besuch einer Geburtstagsfeier organisiert oder die Familie nochmal zusammengebracht werden. Melden kann sich jeder, der die Diagnose „lebensbegrenzende Krankheit“ hat. Im Schnitt sind die Patienten 67 Jahre alt.

Noch einmal Roland Kaiser sehen, dann starb er

Aber die Erfüllung der Wünsche kosten Geld. Und der Transporter verschlingt finanzielle Ressourcen durch die laufenden Kosten, etwa die TÜV-Überprüfung der Geräte. Deshalb bittet der ASDB um Spendengelder der Tagesspiegel-Leserschaft auf das Weihnachtskonto von „Menschen helfen!“..

Natürlich gibt es auch Grenzen. Die Wünschewagen-Helfer organisieren keine Hin- und Rückfahrten, die insgesamt länger als zehn Stunden dauern. „Denn dann kämen Übernachtungen dazu“, sagt Eva Götze. Und das wäre einerseits zu teuer, andererseits ist völlig unklar, ob die Helfer so viel Zeit haben. Und noch eine Frage stünde im Raum: Hielte der Patient diese Anstrengungen überhaupt durch?

Bei einem Mann Anfang 40 war die Frage leicht zu beantworten: Er genoss jede Sekunde. Es war Sommer 2023, er träumte vom Besuch eines Konzerts von Roland Kaiser. Drei Konzerte gab der Schlagersänger in Dresden, alle drei waren ausverkauft. Das ASB-Team schrieb ans Management und erhielt Karten für den todkranken Mann und seine Helfer. Im Rollstuhlbereich verfolgten sie das Konzert, perfekt vom Veranstalter organisiert. Roland Kaiser sang, der Todkranke hatte das Gefühl, der Star singe nur für ihn. Erinnerungen, gespeichert bis ans Lebenende. Zwei Wochen später starb er.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false