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Bundeskanzler Olaf Scholz reist am Samstag nach Südamerika.

© Reuters/Lisi Niesner

Der Bundeskanzler in Südamerika: Olaf Scholz und seine komplizierte Suche nach Energie

In Argentinien, Chile und Brasilien wird sich der Kanzler um Rohstoffpartnerschaften bemühen. In der Region sind Deutschland und die EU gegenüber China ins Hintertreffen geraten.

Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz an diesem Samstag in Buenos Aires zu einem Kurztrip durch Argentinien, Chile und Brasilien eintrifft, dann ist er zunächst einmal bei Freunden.

Alle drei Länder werden von linken Präsidenten geführt, die mit dem Versprechen an die Macht gekommen sind, die große soziale Ungleichheit in ihren Ländern zu bekämpfen. Man steht sich also ideologisch nahe, und es dürften Bilder von Regierungschefs im herzlichen Einvernehmen entstehen.

Besonders Argentiniens Präsident Alberto Fernandez kann die Publicity gebrauchen, macht sein Land doch eine tiefe Wirtschaftskrise mit einer Inflation von 95 Prozent durch – der höchsten seit drei Dekaden.

Auch Gabriel Boric, Chiles erst 36 Jahre alter Präsident, steht nicht gut da. Die Wirtschaft lahmt, während Inflation und Kriminalität steigen. Borics Zustimmungsrate ist auf 24 Prozent gesunken. Scholz trifft also als Erstes zwei angezählte Regierungschefs.

Für den Kanzler, der froh sein dürfte, einmal weit weg vom Ukraine-Konflikt zu sein, ist die wichtigste Botschaft: Flagge zeigen, wir haben euch nicht vergessen! Denn auch wenn in schönen Reden immer wieder die Nähe zu Südamerika betont wird, so hat Deutschland hier in den letzten Jahren an Einfluss verloren, insbesondere an China, dem heute wirtschaftlich wichtigsten Partner der Region.

Lithium aus Chile und Argentinien ist für die Energiewende zentral

China kauft in großen Mengen Rohstoffe wie Kupfer, Lithium, Eisenerz, Soja und Rindfleisch und überschwemmt Südamerika im Gegenzug mit seinen Billigprodukten. Es bietet zudem die Finanzierung und Ausführung großer Infrastrukturprojekte an, etwa von Containerhäfen und Zugstrecken.

Für Scholz dürfte es daher in erster Linie um die Suche nach Partnern im globalen Wettbewerb um Ressourcen gehen. In Chile wird er über die Lithium-Vorkommen des Landes sprechen wollen, weil ohne das Leichtmetall die Energiewende kaum zu bewerkstelligen sein wird. Lithium ist essenziell für die Batteriefertigung und Chile ist derzeit der weltweit größte Produzent, selbst wenn in Bolivien größere Vorkommen vermutet werden.

Chile verfügt über große Vorkommen an Lithium, das für die Fertigung von Batterien notwendig ist und daher eine zentrale Rolle bei der Energiewende spielt.

© Getty Images/John Moore

Ohnehin gibt es in Chile enorme Mengen an wichtigen Metallen, beispielsweise das vielseitig in der Industrie eingesetzte Molybdän und Rhenium. Beide fallen bei der Kupferproduktion an, in der Chile ebenfalls weltweit führend ist.

Deutschland könnte in Chile Eindruck machen, indem es beispielsweise anders als China beim Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten hilft, sprich Batteriefabriken, und außerdem die Einhaltung von Umweltstandards garantiert. Um Lithium zu produzieren, werden enorme Mengen Wasser verbraucht, was in Chile bereits zur kritischen Absenkung des Grundwasserspiegels geführt hat.

Ein weiteres, ebenfalls mit der Energiewende verbundenes Thema ist Wasserstoff. 2021 riefen Deutschland und Chile die Taskforce Wasserstoff ins Leben. Theoretisch könnte Chile bis 2050 ein Vielfaches des geschätzten deutschen Importbedarfs an grünem Wasserstoff decken, wenn sich diese Energieform weiter durchsetzt.

35
Millionen Euro hat die Bundesregierung für den Amazonasfonds bereitgestellt, mit dem Projekte zum Erhalt des Dschungels finanziert werden sollen.

Auch in Argentinien wird Scholz über Rohstoffe sprechen. Argentinien ist nach Brasilien und Mexiko Deutschlands drittwichtigster Handelspartner in Lateinamerika. Und wie Chile besitzt es große Lithium-Vorkommen. Darüber hinaus aber hat Argentinien, tief im wüstenartigen Hinterland gelegen, die zweitgrößten Schiefergasvorkommen der Welt, die das Land gerne als Flüssiggas exportieren würde, auch nach Deutschland.

Das Problem: Es braucht millionenschwere Investitionen in Pipelines, um das Gas zur Küste zu transportieren und dort in Flüssiggas zu verwandeln, um es transportfähig zu machen. Von Deutschland dürfte Argentinien sich hierbei Hilfe erhoffen.

Auch Handelsbeziehungen mit der EU sind ein wichtiges Thema

Eine mindestens ebenso große Rolle wird das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem regionalen Wirtschaftsverbund Mercosur spielen, zu dem neben Argentinien auch Brasilien, Uruguay und Paraguay zählen. Die Verhandlungen wurden Mitte 2019 abgeschlossen, die Ratifizierung scheiterte jedoch an der katastrophalen Umweltpolitik und dem Isolationismus des brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro.

Mit dem Abkommen würde die größte Freihandelszone der Welt mit rund 780 Millionen Menschen geschaffen, die für die europäische – insbesondere die deutsche – Exportindustrie sowie Südamerikas Landwirtschaft große Vorteile brächte. Die EU pocht allerdings auf eine Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards in Südamerika, die speziell in abgelegenen Regionen schwierig zu überprüfen sind.

Überschattet wird das Abkommen derzeit auch von der Absicht Uruguays, ein bilaterales Handelsabkommen mit China zu schließen. Die liberalkonservative Regierung in Montevideo ist nicht zufrieden mit dem häufig schwerfälligen Mercosur. Brasiliens Präsident Lula da Silva wendete zuletzt einiges an Rhetorik auf, um die Uruguayer vom Ausscheren abzuhalten. Mit Lula wird Scholz am Ende seiner Reise in Brasilia zusammentreffen.

Lula hat turbulente Wochen hinter sich, nachdem fanatische Bolsonaro-Anhänger Brasiliens demokratische Institutionen stürmten und verwüsteten. Zur Erleichterung der Europäer sitzt er nun jedoch fest im Sattel. Für Scholz geht es auch darum, Unterstützung für Lula und die brasilianische Demokratie zu zeigen.

Brasilien ist mit Abstand Deutschlands wichtigster Partner in der Region, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch bei dem Versuch, den Klimawandel noch zu entschleunigen. Die Bundesregierung hat bereits 35 Millionen Euro für den gemeinsam mit Norwegen aufgelegten Amazonasfonds bereitgestellt, der unter Bolsonaro eingefroren worden war. Mit dem Geld sollen Projekte zum Erhalt des Dschungels finanziert werden.

Nicht rechnen kann Scholz hingegen mit der Unterstützung Brasiliens für den westlichen Kurs im Ukraine-Konflikt. Brasilien, aber auch Argentinien betrachten sich traditionell als neutral und eher in einer Vermittlerrolle. Dahinter stecken im konkreten Fall allerdings auch wirtschaftliche Interessen. Die Agrarindustrien beider Länder hängen komplett vom russischen Dünger ab. Der Zugang zu Rohstoffen ist also auf allen Seiten ein maßgebliches Kriterium in der globalen Politik geworden.

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