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Äh? Pausen sind beim Sprechen ganz normal

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Äh, Ähm, Ähem : Wenn das Sprechen mal kurz ... Pause macht

Kein Tier spricht wie der Mensch. Doch was den Menschen zum Quasseln befähigt, ist noch immer unklar. Ohne bestimmte Gene geht es jedenfalls nicht.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Es gibt einen Grund, warum der Erbonkel ein Schreiberling geworden ist: zu viel „Äh“ und „Ähm“ pro Satz fürs Radio oder Fernsehen. Auch der nett (?) gemeinte Tipp „Erst denken, dann reden“ half da nicht weiter. Denn er ist falsch.

So sprachbegabt Menschen auch sind, niemand kann einen Satz von Anfang bis Ende durchplanen. Menschen beginnen zu sprechen, bevor sie das Ende des Satzes kennen. Forschungen der Psycholinguistin Antje Meyer vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen zufolge wird der nächste Abschnitt eines Satzes entworfen, noch während der vorherige gesprochen wird. Denn das Gehirn muss nicht nur die einzelnen Worte, Silbe für Silbe, Laut für Laut vorbereiten, sondern auch auf den Inhalt, die Satzmelodie, die Grammatik, die Betonung, den Gesprächspartner, den Kontext des Gesprächs und vieles mehr achten.

Während manche Menschen Füllwörter nutzen, langsamer sprechen oder stumme Pausen einbauen, um dem Gehirn die dafür nötige Zeit zu verschaffen, greifen andere auf ein gelegentliches „Äh“ zurück – auch weil das als Signal an den Gesprächspartner dient, dass der Satz noch nicht zu Ende ist.

Sicher: „Ähs“ lassen sich über Sprachtraining reduzieren, denn ein großer Anteil menschlicher Sprache ist erlernt. Doch manche Sprachprobleme wurzeln tiefer. Veränderungen im Gen „Foxp2“ etwa bringen Grammatik, Satzbau und Wortschatz durcheinander. In einer englischen Familie gab die Großmutter ihre „Dyspraxie“ genannte, durch eine Foxp2-Mutation ausgelöste Sprachstörung an mehrere Nachkommen weiter. Das macht Foxp2 zwar nicht, wie oft geschrieben, zu einem „Sprachgen“, zumal es auch Mäuse und andere sprachlose Tiere im Erbgut tragen, zeigt aber, dass Foxp2 in der Embryonalentwicklung des Gehirns gebraucht wird, um es zum Sprechen – oder Vögel zum Singen – zu befähigen.

Letztlich entscheiden Hunderte, vielleicht Tausende von Genen darüber, wie gut ein Mensch sprechen kann. Allerdings nimmt Foxp2, das viele hundert Gene steuert, wohl eine Art Dirigentenfunktion ein. Und wer weiß, vielleicht liegt beim Erbonkel ja einfach ein Genmix vor, der eher zur Schriftsprache als zum, äh, Reden befähigt.

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

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