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© Lisa Rock für den Tagesspiegel

Der Erbonkel: Was von denen bleibt, die gegangen sind

Wenn ein Mensch stirbt, bleibt nichts von ihm. Oder doch? Etwas von uns lebt auch über den Tod hinaus weiter.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Gibt es ein Leben nach dem Tod? Leben diejenigen, die gehen mussten, weiter? Irgendwie? Viele Religionen bejahen diese existenzielle Frage, wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise. Die Naturwissenschaften halten sich eher bedeckt oder neigen zu einem wenig tröstlichen „Nein“. Aber ist das so? Was heißt „weiterleben“?

Niemand geht gern auf Beerdigungen. Es sind traurige Veranstaltungen, die einem die sorgsam verdrängte eigene Endlichkeit bewusst machen.

Doch wenn Familie, Freunde und Kollegen Abschied nehmen und sich mit zitternder Stimme eines ganzen Lebens und der schönen oder auch mal schweren Zeiten erinnern, dann wird mit den Tränen etwas deutlich: Wer stirbt, geht doch nie ganz. Ganz offensichtlich leben Menschen weiter in dem, was sie an andere Menschen weitergegeben haben.

Jeder hinterlässt durch das, was er tut und sagt, etwas von sich in anderen Menschen, beeinflusst ihr Verhalten nicht nur zu Lebzeiten, sondern auch darüber hinaus. Vielleicht lernen wir von diesem besonders klugen und einfühlsamen, immer hilfsbereiten Menschen und treffen dadurch andere Entscheidungen im Leben. Nicht nur, weil sich so ungreifbares geändert hat wie unsere Gedanken, vielleicht sogar unser Charakter, sondern auch ganz physisch unsere Biologie.

Denn für die Erinnerungen an die lustigen Abende im Grill-Restaurant oder das gemeinsame Joggen werden Nervenzellen neu verknüpft, sogar die Aktivitäten von Genen müssen angepasst und Proteine verschoben werden. Ob Spaß oder Stress, die mit Aufregung und Emotionen einhergehenden Botenstoffe, die den Körper dann durchwandern, wirken sich kurz- wie langfristig aus. Der, der geht, hat sich in unsere Physiologie eingeschrieben.

Das ist vielleicht nicht das, was man sich gemeinhin unter Weiterleben vorstellt. Aber im Unwissen über die Existenz der Unsterblichkeit ist es die vielleicht tröstlichste Gewissheit.

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

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