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Feinkosttest Quark.

© Bearbeitung: Tagesspiegel | imago/Fascinadora

Fett for Fun: Quark im Feinkosttest

Noch kein Käse, nicht mehr bloß saure Milch: Wenn er gut ist, tanzt er auf der Zunge. Welche Vollfett-Sorten die besten sind.

Es dauert nicht lange – und schon hat die Nase das Nachsehen. Denn sobald frisch gehackte Petersilie auch nur für ein paar Minuten auf dem Schneidebrett liegenbleibt, ist der olfaktorische Verlust bereits enorm. Fast allen Kräutern kommt innerhalb kurzer Zeit Aroma abhanden.

Zum Glück existiert ein Lebensmittel, das die empfindlichen vegetabilen Noten am Verduften hindert: Quark – mit Milchsäurebakterien und Lab dickgelegte Milch. Allerdings eignet sich nicht jede Variante für diese Aufgabe. Nur wenn Säure, Protein und ein gewisser Fettgehalt zusammenwirken, treffen Kräuter, Gewürze und ebenso Obst auf ein ersprießliches Milieu. Überhaupt bestimmen diese drei Komponenten den wenigen Geschmack, den Quark überhaupt aufweist. 

Magerquark: Ein planes Lebensmittel, das vielen Konsumenten gerade recht kommt

Dennoch hat eine Hierarchieumkehr stattgefunden. Im Vordergrund stehen heute meist die natürliche Süße und der Eiweißgehalt, um Fett und Säure geht es weniger. Die beliebten mageren Sorten setzen eher auf das kühle Erlebnis auf der Zunge sowie einen abgerundeten Gesamteindruck. Er bringt diesen Vorkäse an die Seite des Mascarpone, jedoch ohne dessen üppiges Fett.

Ursprüngliche Säure, große Frische, Substanz und Dichte am Gaumen: „Hemme Milch Alsahna Natur Speisequark“ fand die Jury „spitze“.
Ursprüngliche Säure, große Frische, Substanz und Dichte am Gaumen: „Hemme Milch Alsahna Natur Speisequark“ fand die Jury „spitze“.

© PR / PR

Magerquark ist zumindest im Supermarkt der Normalfall, vermutlich weil so ein planes Lebensmittel vielen Konsumenten gerade recht kommt. Man kann ihm die Sorge um Gesundheit und Figur aufbürden, ohne viel zu opfern. Der industriellen Milchwirtschaft spielt diese Einstellung in die Karten. Sie vermag ein Produkt aufzuwerten, dem ein profunder Geschmacksträger entzogen wurde. Das Fett wird dann gesondert abgesetzt.

Die Feinkosttest-Jury konzentrierte sich stattdessen auf die sogenannte Vollfettstufe (40 Prozent), die einen Fettgehalt von 2,5 Prozent bei der verwendeten Milch voraussetzt. Das hinderte aber weder „Ja! Speisequark“ noch den „Rewe Bio Speisequark“ daran, mehlig statt sahnig zu wirken. „Dazu stumpf und ohne käsigen Moment“, urteilte Felix Thoms, Küchenchef im Schöneberger Restaurant „Bob & Thoms“ und Gastgeber dieser Testrunde.

Die relativ süßen „Schwarzwaldmilch LAC Sahnequark“ und „Quarki“ empfand der jugendliche Spitzenkoch als Hüttenkäse ohne Kontur. Keineswegs besser bedient als mit dem gervaisartigen, leicht metallischen (womöglich ein Fehlton in der Charge) „Hüttenthal“ sei man mit einer Imitation: „Provamel Organic-bio Quarkalternative“, eine unglückliche Vereinigung von Sojamilch und Bindemitteln, bringe bloß den Duft von feuchter Pappe und Stroh auf den Teller.

Auch bei „Alnatura“ und „Berchtesgadener Land Bio-Quark Bayerischer Topfen“ stellt sich die Frage, ob es sich hier im engeren Sinn noch um Quark handelt. Bei beiden verstellt liebliche Fülle, die ein wenig an H-Milch denken lässt, den Zugang zu einer Typik, die eigentlich etwas Prickelndes an sich haben sollte.

Immerhin dienen sie sich – ebenso wie die feste, mächtig-sahnige Konsistenz von „Milsani“ – als Grundstoff für Füllungen und Süßspeisen an. Und aus dem Cheesecake wird damit das, was seiner Idee wohl am besten entspricht: ein Milchkuchen. Die ebenfalls dem Süßrahm zuneigenden „Edeka Bio“ und „Gut & Günstig“ erschienen der Runde munterer im Säurespiel, aber auch wässriger.

Auch wenn es mit dem Eigenaroma in der festen Textur hapert, belebt die Säure sowohl „Dennree“ als auch den wesentlich natürlicher wirkenden Quark der „Landmolkerei Vinzenz Lorenz“. Dessen cremige Ggrieseligkeit deutet darauf hin, dass er nicht maschinell bearbeitet wurde. 

Auch die geschlosseneren, zum Frischkäse tendierenden „Milbona“ und „Söbbeke“ sind nicht komplett glattgerührt, wohingegen sich der feinsäuerliche, zugleich voluminöse „Jeden Tag Speisequark“ auf den italienischen Streichkäse Stracchino zubewegt.

Nicht komplett glattgerührt, mit Tendenz zum Frischkäse: „Paul Söbbeke Bio Speisequark“ schnitt „gut“ ab.
Nicht komplett glattgerührt, mit Tendenz zum Frischkäse: „Paul Söbbeke Bio Speisequark“ schnitt „gut“ ab.

© PR / PR

Fast ohne Süße präsentierte sich der gestockte „Bordier Esprit de Blanc Le Fromage Blanc“. Auf der Zunge tanze die Säure wie Perlage, bemerkte Thoms. Blind verkostet würde man den fast molkefreien Bordier nicht für Quark, eher für Naturjoghurt oder Ricotta halten. 

Ein natürlicher Fettgehalt wird gern mal als „Rahmstufe“ oder „Sahnequark“ verkauft

Seine Erfahrungen in mehreren Sterne-Restaurants hinderten Felix Thoms nicht daran, eine unverwechselbare Kochpersönlichkeit zu entwickeln. Wie ein Autor setzt er seine Menüs in Szene, deren bunte Optik bereits von ihrer Delikatesse erzählt. Seine dem Feinhandwerk zugeneigte Haltung schien in „Asendorf Sahne“ eine Entsprechung zu finden.

Das als „Premium Sahne Schichtkäse, handgeschöpft“ deklarierte Erzeugnis der Molkerei Grafschaft Hoya in der Nähe von Bremen besitze, so der Koch, eine filigran strukturierte Säure in einem leicht krümeligen Körper. Wenngleich kein typischer Quark, sei Asendorf dennoch der „Charakterdarsteller“ des Genres. 

„Hemme Milch Alsahna Natur“ gibt sich sensorisch als eine Art Sauerkraut unter den Quarksorten. Ursprüngliche Säure übersetzt sich sogleich in den Eindruck großer Frische und zieht dabei Substanz und Dichte auf die Bühne des Gaumens. Sympathisch außerdem, dass der Brandenburger Betrieb den natürlichen Fettgehalt nicht als etwas Besonderes, etwa als „Sahnequark“ oder „Rahmstufe“ anpreist. 

Bei „Isigny Ste. Mère Fromage frais Onctueux“ kann man durchaus den Eindruck haben, der fortgeschrittene Reifeprozess stünde im Begriff, den eigenen Sinn zu unterlaufen: noch nicht ganz Käse zu sein und nicht mehr bloß saure Milch.

Das liegt zum einen an seiner extremen Cremigkeit, der ein herber Ton als Kontrapunkt assistiert. Zum anderen scheint sich eine beinahe moussierende Säure wie eine geschwungene Linie durch das satte Fett zu ziehen. So ein Aromafänger dürfte fast zu schade sein für Kuchen. 

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